Die Kernzentrale Grohnde im norddeutschen Emmerthal hat ausgedient. Das wünschen sich die Umweltschützer von Greenpeace für alle AKWs auf der Welt.

Foto: EPA / Focke Strangmann

Wien/Berlin – Auf Unterstützung aus Berlin sollte sich Österreich im Kampf gegen Brüssel eher nicht verlassen. Die deutsche Regierung wolle sich auf EU-Ebene in der Frage enthalten, ob Erdgas und Atom bei der sogenannten Taxonomie als nachhaltige Übergangstechnologien eingestuft werden, berichtete Reuters unter Berufung auf Regierungskreise in Berlin. Auch die FAZ meldete, dass bereits eine Vorentscheidung gefallen sei.

Wiewohl sich die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP bedeckt hält: Signale für eine diesbezügliche Vorgangsweise gab es bereits vor Weihnachten. Insbesondere die Grünen haben bezüglich "Greenwashing" Erklärungsbedarf. Nuklearenergie sei nicht nachhaltig, kritisieren sämtliche Funktionäre. In der Sache sind sie aber gespalten. Denn für neue Gaskraftwerke, die Deutschland für den angestrebten Kohleausstieg vor 2038 dringend braucht, begrüßt man das grüne Label. sofern die Gaskraftwerke später auf Wasserstoff umrüstbar sind.

In der Defensive

Die EU-Kommission schlägt wie berichtet. vor, dass Atomenergie und Erdgas mit Auflagen für einen Übergangszeitraum als nachhaltige Energieträger eingestuft werden sollen. Die Klassifikation für "grüne" Technologien in der sogenannten Taxonomie soll dazu beitragen, private Investitionen in Erneuerbare umzuleiten.

Insgesamt stehen die Zeichen auf Defensive. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) signalisierte bereits, dass es sehr schwer werde, die Kommissionsvorschläge zu stoppen. Dafür müssten 20 der 27 EU-Länder dagegen stimmen, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Das gilt als ausgeschlossen.

"Hätte es nicht gebraucht"

Bereits Habecks erste Reaktion am Wochenende war extrem weich ausgefallen: "Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht." Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren sei bei dieser Hochrisikotechnologie falsch, das verstelle den Blick auf die langfristigen Auswirkungen für Mensch und Umwelt.

Eine Klage, wie sie Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) prüft, schloss der deutsche Regierungssprecher Hebestreit de facto aus, zumal über die Klassifizierung von Erdgas und Atom nur im Doppelpack entschieden wird.

Kaum Erfolgschancen

Europarechtler wie Peter Hilpold oder Walter Obwexer (beide Uni Innsbruck) sehen kaum Erfolgsaussichten für die von Österreich angedrohte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Argument, Atomkraft sei nicht nachhaltig, stehe auf schwachen Beinen, sagte Obwexer im Ö1-Radio, und ein erlittener Schaden durch die EU-Verordnung werde schwer nachweisbar sein.

Die Europäischen Grünen erwägen dennoch eine Klage gegen die Pläne der EU-Kommission, kündigte der Co-Vorsitzende und österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz via Welt an. Überstimmen können sie das Europaparlament damit freilich nicht. Ob und wie die Verordnung geändert wird, steht erst im Sommer fest. (ung, Reuters, 4.1.2022)