In jüngsten Umfragen liegt die SPÖ wieder an erster Stelle, ist also zumindest auf dem Papier die stärkste Partei im Lande. Das scheint niemanden so sehr zu überraschen wie die SPÖ selbst. Und spürbar ist es auch nicht, das mag aber daran liegen, dass man in der Opposition weniger Gehör findet, als wenn man tatsächlich gestalten und umsetzen kann.

Das Führungsteam der Sozialdemokraten hat wenig dazu beigetragen, in der Gunst der Wähler wieder hinaufgehoben zu werden. Die Stärke der SPÖ ist in erster Linie in der Schwäche der ÖVP zu finden, die gleich zweimal den Kanzler gewechselt und mit Sebastian Kurz ihr bis dahin überzeugendstes Zugpferd verloren hat. Karl Nehammer ist eine solide Wahl als Parteivorsitzender und Bundeskanzler, das ist schon viel, ihm fehlen allerdings Charme, Charisma und Strahlkraft. Natürlich kann man auch durch harte, seriöse Arbeit überzeugen, für den großen Wahlerfolg braucht es erfahrungsgemäß aber ein bisschen mehr, dieses Quäntchen an Prickeln, das etwa Kurz bei seinen Anhängern auslösen konnte.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist vor allem auch in ihrer eigenen Partei umstritten. Viele Funktionäre trauen ihr nicht zu, die geeignete Führungskraft für einen Wahlkampf zu sein, in dem es darum geht, den Kanzleranspruch ins Ziel zu bringen. Rendi-Wagner ist eine sympathische, nicht immer authentische, aber jedenfalls interessante Persönlichkeit, sie setzt auf Sachpolitik und sucht nicht ständig die Zuspitzung. Das sind lobenswerte Merkmale. Die fehlende Durchsetzungskraft nach innen merkt man allerdings auch nach außen.

Freundschaft?
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Inhaltlich tut sich die SPÖ nach wie vor schwer, sich verständlich zu machen und die richtigen Themen zu finden. Da wird auch viel heiße Luft produziert, auch das ist ein Fluch der Oppositionsrolle.

Und dann gibt es ein weiteres Problem: Hans Peter Doskozil. Als Landeshauptmann des Burgenlandes ist Doskozil Chef eines der nicht allerbedeutsamsten Bundesländer, in seiner Rolle und Bedeutung theoretisch überschaubar. Als einer von drei roten Landeshauptleuten hat er in der SPÖ aber Gewicht – und als ständiger Quertreiber jede Menge Medienaufmerksamkeit. Wie auch immer man es betrachtet: Doskozil ist für die SPÖ wichtig. Das sollte vor allem ihm selber bewusst sein. Er schädigt mit seiner offen vor sich hergetragenen Geringschätzung der Parteivorsitzenden auch andere. Dass er an der Führungsklausur der Partei nicht teilnimmt, weil er dort nichts erwarte und Besseres zu tun habe, ist destruktiv.

Doskozil könnte sich zur Abwechslung auch in der Partei einbringen, anstatt wieder einmal die Parteivorsitzende zu desavouieren. Sein Verhalten ist bösartig. Ständig das eigene Ego auf Kosten der Gemeinschaft, nämlich seiner roten Gesinnungsgemeinschaft, der er ja noch angehört, zu bedienen ist auch in höchstem Maße unsolidarisch. Und Solidarität ist ein Wert, der in der Sozialdemokratie eine gewisse Bedeutung hat. War das nicht einmal so? Freundschaft, Genossin, Genosse! (Michael Völker, 4.1.2022)