Man stelle sich einmal vor, jeden Tag, sechs bis acht Stunden, mit nur wenigen Pausen, die Maske durchgehend tragen zu müssen.

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Die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante des Coronavirus explodiert, kommende Woche sollen die Schulen wieder öffnen. In den Bildungsdirektionen und im Ministerium breitet sich leise Panik aus. Was tun? Die Politik, namentlich Bildungsminister Martin Polaschek, hat sich für das Naheliegende entschieden: Die Maskenpflicht für alle Schülerinnen und Schüler – auch während des Unterrichts – wird beibehalten. Ach ja, und die regelmäßigen PCR-Tests an den Schulen sollen endlich flächendeckend in ganz Österreich stattfinden. Das war ja in 21 Monaten Pandemie bisher leider nicht zu administrieren.

War da was?

Genauso wie die Sache mit den Luftfiltern: Wie war das nochmal? Sollten die nicht in jeder Klasse eingebaut werden? Und gab es nicht auch einmal die Überlegung, dass Bund, Länder und Kommunen (viel) mehr zusätzlichen Raum anmieten, um Klassen so zu verkleinern, dass sowohl das Abstandhalten als auch das individuelle Lernen in der Pandemie realistisch umsetzbar sind? Zudem fehlen konkrete und verbindliche Pläne des Bildungs- und auch des Sportressorts, wie auch in den kritischen Herbst- und Wintermonaten Schülerinnen und Schüler zu ausreichend Bewegung an frischer Luft kommen sollen. Wer den ganzen Tag in zu engen Klassenzimmern hockt, wird weder besonders gut lernen noch sich kreativ entfalten können. Das galt übrigens auch schon in Vorpandemiezeiten. Die Bildungspolitiker dieses Landes haben schlicht und einfach ihre Hausaufgaben nicht erledigt.

Erlässe von oben herab

Das baden einmal mehr die Kinder und Jugendlichen aus. Sich zu entscheiden, die allumfassende Maskenpflicht beizubehalten, ist leichter, wenn man allein im Ministerialbüro sitzt und, vielleicht bei geöffnetem Doppelflügelfenster, überlegt, wie nun eine erneute Infektionswelle einzudämmen sei. Aber man stelle sich einmal vor, jeden Tag, sechs bis acht Stunden, mit nur wenigen Pausen, die Maske durchgehend tragen zu müssen. Das ist schon für Erwachsene anstrengend genug, für Kinder in einem beengten Klassenzimmer, wo sich Fenster nur minimal öffnen lassen, grenzt das schon an Tortur. Und man stelle sich dazu die Lehrerinnen und Lehrer vor, die dies bei zwei Dutzend teils unruhigen Schülerinnen und Schülern Stunde für Stunde durchsetzen müssen.

Kinder auseinanderdividieren?

Erhellend ist auch die Idee des Wiener Bildungsstadtrates Christoph Wiederkehr. Er will geimpfte und genesene Kinder bevorzugt behandeln gegenüber Ungeimpften. Stellt sich der Neos-Politiker so die Verwirklichung der Bildungschancengleichheit für alle Wiener Kinder vor? Hat er sich schon einmal mit Kinder- und Jugendpsychiaterinnen über diese seine Idee unterhalten? Die berichten schon jetzt von zunehmender Aggression an den Schulen in Zusammenhang mit der Impfpflicht – vor allem Jugendliche, die aufeinander losgehen, weil sie den jeweils anderen (ungeimpft oder geimpft) und dessen dafür verantwortliche Eltern blöd finden.

Die Zeit drängt, und es besteht wenig Hoffnung, dass den Verantwortlichen noch mehr einfällt als die allgemeine Maskenpflicht. Die Frage ist auch, ob es einen Plan B gibt, falls Omikron die Lehrerinnenschaft mit voller Härte trifft – ausgeschlossen ist das trotz Maskenpflicht nicht. Man möchte den Bildungspolitikern dieses Landes zurufen: Macht endlich euren Job und lasst euch mehr einfallen als das Naheliegende! Es kann nicht sein, dass die Versäumnisse Erwachsener immer auf Kosten der Kinder gehen. (Petra Stuiber, 5.1.2022)