Das U4 in Wien-Meidling ist seit Jahrzehnten ein populärer Club. Mitunter wird es aber auch zum Tatort.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Nicht nur Südoststeirer sind dank der Herren Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz ja musikalisch davor gewarnt, dass es im legendären Wiener Lokal U4 mitunter zu verstörenden zwischenmenschlichen Begegnungen kommen kann. Gewalttätig verlief eine solche am 31. Oktober zwischen zwei Twens, weshalb sich Herr A. nun mit einer Anklage wegen schwerer Körperverletzung vor Richter Florian Wallner wiederfindet.

Bis zu seiner Festnahme arbeitete der zweifach Vorbestrafte als Holzfäller, seit dem fraglichen Abend sitzt er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, Herrn S., ebenso Anfang 20, gegen vier Uhr morgens in und vor dem Lokal Faustschläge verpasst zu haben, wodurch die Nase und der Augenhöhlenbodenknochen von S. brach und er eine Rissquetschwunde über dem linken Auge erlitt.

Zwei junge Frauen "angetanzt"

Der von Ernst Schillhammer verteidigte Angeklagte bekennt sich schuldig, kann aber nicht viel zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. "Ich war betrunken", entschuldigt er sich. Was er noch weiß: "Ich war mit zwei Mädchen, er hat sie angetanzt. Eines der Mädchen hat mich gerufen, ich habe gesagt, dass sie mit mir sind", erinnert er sich noch dunkel. Er habe Nebenbuhler S. weggestoßen, woraufhin er eine Ohrfeige kassiert habe. Worauf er wiederum mit der flachen Hand zurückgeschlagen habe, meint der Angeklagte.

Kurz darauf verließ er das Lokal und sah den aus der Nase blutenden S. draußen stehen. "Ich wollte schauen, was los ist", begründet A., S. habe diese Neugier nicht gefallen. "Er hat mir wieder eine Ohrfeige gegeben. Ich habe auch aus der Nase geblutet", beteuert der Angeklagte. Dass er danach mit der Faust ins Gesicht des Verletzten geschlagen habe, streitet er aber nicht ab. Anschließend sei er umringt worden und von ihm Unbekannten hin- und hergeschubst worden. Ob er S. dabei nochmal einmal erwischt habe, könne er nicht sagen.

Verletzter will über 19.000 Euro

Der Verletzte, ein Taxifahrer, der über seinen Privatbeteiligtenvertreter 10.000 Euro Schmerzensgeld, 8.907 Euro Verdienstentgang für rund sechs Wochen Krankenstand sowie 568,77 Euro sonstige Aufwendungen fordert, hatte bei der Polizei noch angegeben, er sei jeweils unvermittelt und unprovoziert von A. attackiert worden. Aus Krankheitsgründen kann er nicht persönlich beim Prozess erscheinen, dafür sagt ein Unbeteiligter aus, A. habe S. vor dem Lokal plötzlich zwei Schläge ins Gesicht verpasst.

Ein schönes Beispiel für die Schwierigkeiten mit Wahrnehmung und Erinnerung. Denn es gibt sowohl für den Vorfall bei der Tanzfläche als auch vor dem Ausgang die Aufnahmen aus Überwachungskameras. Und die zeigen, dass S. sowohl unten als auch oben tatsächlich jeweils zuerst angegriffen hat. Beim Aufeinandertreffen vor der Tür bewegt sich S. sogar zwei, drei Schritte auf A. zu, ehe er ihm eine Ohrfeige verpasst. Der mögliche dritte Schlag ist auf dem Video nur noch schwer zu erkennen – es liegen aber mindestens zwei Sekunden und einige Meter dazwischen – und auch da scheint der Verletzte zunächst den Arm zu einer Schlagbewegung zu heben, ehe er zurück ins Bild taumelt.

Verfahrenshelfer Schillhammer stellt daher in den Raum, ob es sich bei den Schlägen Nummer zwei und drei nicht auch um Notwehr gehandelt haben könnte, was der Richter aber absolut nicht so sieht. Er verurteilt A. zu 15 Monaten Gefängnis, zusätzlich werden sechs Monate aus einer früheren bedingten Strafe widerrufen und damit schlagend.

"Macht keinen schlanken Fuß"

"Sie sind erst im Mai bedingt aus der Haft entlassen worden, und nicht einmal ein halbes Jahr später gibt es den nächsten Vorfall. Das macht keinen schlanken Fuß", begründet Wallner seine Entscheidung. Er gesteht A. zwar zu, dass es zumindest vor dem zweiten Schlag eine Provokation durch das Opfer gegeben habe, "aber so, wie Sie reagiert haben, so geht das gar nicht", stellt der Richter klar. Auch der Widerruf der bedingten Strafe sei notwendig, um ein Zeichen zu setzen. Dem Verletzten spricht er 4.568,77 Euro an Schmerzensgeld und Schadenersatz zu.

A. nimmt nach kurzer Beratung mit seinem Verteidiger das Urteil an, ebenso die Staatsanwältin. Da der Privatbeteiligtenvertreter keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung vorerst nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 6.1.2022)