Militärische Sperrgebiete werden weniger intensiv genutzt als die umliegende Kulturlandschaft – sie sind aber nicht nur Inseln ökologischer Vielfalt, sondern etwa auch Kraftwerksstandorte

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Das Bundesheer versucht, in der öffentlichen Beschaffung – etwa bei Elektroautos – eine Vorreiterrolle einzunehmen.

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Wien – Der Artikel 9a der österreichischen Bundesverfassung regelt die Umfassende Landesverteidigung mit den Säulen der militärischen, geistigen, zivilen und wirtschaftlichen Landesverteidigung – wobei diese Bereiche seit ihrer Festlegung mit der Entwicklung des Landesverteidiungsplans in den späten 1970er-Jahren in sehr unterschiedlicher Intensität gepflegt werden. Der Fokus liegt üblicherweise auf dem militärischen Teil, also dem Bundesheer – und dieses verspricht nun, erheblich zur Verteidigung des ökologischen Erbes Österreichs beizutragen. Im Ressort kursiert das Schlagwort "ökologische Landesverteidigung", denn "das Prinzip der Nachhaltigkeit basiert wie die Demokratie auf drei Säulen: Ökologie, Soziales und Wirtschaft", wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) formuliert.

Übungsplätze bilden Öko-Nischen

Das Bundesheer hatte allerdings schon vor Jahrzehnten mehr oder weniger zufällig entdeckt, dass es ganz nebenbei ein beachtliches ökologisches Erbe zu verwalten hat: Viele seiner Übungsplätze sind Inseln der Biodiversität in einer rundum wesentlich intensiver genutzten Landschaft.

Österreichs größter Truppenübungsplatz Allentsteig (15.300 Hektar) hat rund 7.820 Hektar Waldanteil, von dem wiederum die Hälfte wegen Blindgängergefahr kaum wirtschaftlich genutzt werden kann: Hier kann sich die Natur entfalten, die bestehenden Fichtenbestände gehen Klima- und Unwetterbedingt zurück, durch Naturverjüngung entsteht Laub-Mischwald. Und das Totholz bietet Lebensraum für viele Tierarten, die sich vom Übungsbetrieb kaum stören lassen. Dies erleichtert es dem Ministerium, weitgehende Zielerfüllung im Punkt 15 ("Leben an Land") der Sustainable Development Goals der UNO zu melden.

Nachhaltigkeit als Auftrag

Im aktuellen "Nachhaltigkeitsbericht 2021" des Bundesheers, der dem STANDARD vorliegt, werden nicht nur die seit Jahren gepflegten Naturschutzprojekte auf Truppenübungsplätzen analysiert: "Derzeit sind die Liegenschaften des Österreichischen Bundesheeres noch weit davon entfernt CO2-neutral zu sein. Das BMLV/ÖBH sieht im Regierungsprogramm 2020-2024, welches u. a. ein klimaneutrales Österreich bis 2040 avisiert, einen klaren Auftrag".

Teile dieses Auftrags wurden von Tanner im Vorjahr auf den Weg gebracht. Ein Pilotprojekt zur Integration eines Kleinwasserkraftwerkes in eine bestehende Trinkwasserversorgungsanlage auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe in der Steiermark wurde bereits gestartet, zwei weitere Bauprojekte von Biomasseheizanlagen zur Wärme- bzw. Stromerzeugung befinden sich in der Entwicklungsphase.

Kraftwerke auf Übungsplätzen

Das Heer betätigt sich schon bisher in der Stromproduktion. Wenig bekannt ist etwa, dass das Bundesheer bereits mehrere Kraftwerke betreibt: Auf dem Truppenübungplatz Lizum im hinteren Wattental wurde auf 1670 Meter Höhe das Kleinkraftwerk Melang eingerichtet. Neben der elektrischen Versorgung des gesamten TÜPl Lizum mit einem jährlichen Strombedarf von rund 3 Millionen kWh speist das Kraftwerk Melang derzeit zwischen 5,5 und 6 Millionen kWh Ökostrom jährlich in das öffentliche Elektrizitätsnetz ein.

Auf dem Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg werden "liegenschaftseigener Grünschnitt, Mais und Molke ... anaerob zu Biogas vergoren, welches dann in einem Blockheizkraftwerk in Wärmeenergie und elektrischen Strom umgewandelt wird. Ein Teil der gewonnenen Wärme (ca. 15 Prozent) fließt in das Wärmeversorgungsnetz der Liegenschaft und ersetzt dort den fossilen Energieträger Erdgas, die Restwärme wird extern im öffentlichen Wärmenetz verwertet. Der durch die Anlage erzeugte Strom dient dem Eigenbedarf (ca. 10 Prozent) bzw. wird vom Betreiber der Anlage, der Fa. Thöni, in das öffentliche Elektrizitätsnetz eingespeist", heißt es in dem Bericht. Dem Flugplatz bleibt die Biogasgülle aus den Reststoffen der Vergärung – ein hochwertiger Dünger für die eigenen Grundstücke. Zudem können jährlich 316.000 Kubikmeter Erdgas und 1000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.

Selbst Flugshows sollen "grün" werden

Apropos Fliegerhorst Hinterstoisser: Dieser wird heuer – am 2. und 3. September – wieder für die Flugshow "Airpower" genutzt. Ministerin Tanner versucht, dieses Event als eine "Green Role Model" für eine Flugshow anzupreisen: "Als Institution des Bundes ist das BMLV verpflichtet, die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen sowie des Regierungsprogramms zu erfüllen."

So wurde eine eigene Stabstelle Nachhaltigkeit im Airpower-Organisationsteam eingerichtet. Laut Joanneum Research können gegenüber der letzten derartigen Großveranstaltung 14 Prozent CO2-Emissionen eingespart werden, ab 2040 könnte die Airpower überhaupt klimaneutral ablaufen.

Was den eigentlichen Flugbetrieb bei solchen Shows betrifft, muss festgehalten werden, dass damit kaum zusätzliche Flugstunden anfallen: Militärpiloten müssen nämlich in jedem Jahr eine Mindestanzahl von Flugstunden absolvieren, um die Berechtigung zum Fliegen zu erhalten – und in Jahren mit Airshows werden eben etliche der ohnehin notwendigen Flüge bei den jeweiligen Events absolviert.

Regionale Einkaufspolitik

Was für die Fliegertruppe speziell gilt, lässt sich auf den gesamten Dienstbetrieb umlegen: Sämtliche Aktivitäten werden daraufhin überprüft, wie sie nachhaltig gestaltet werden können. So ist das Bundesheer ein Großeinkäufer für Verpflegung – mit einem gezielten Einkauf regionaler und saisonaler Produkte für die Truppenküchen können sowohl regionalwirtschaftliche als auch ökologische Nachhaltigkeitsimpulse gegeben werden. vor drei Jahren wurde zudem ein Projekt gestartet, das die Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsverpflegung der 88 "Verpflegseinrichtungen" zumindest halbieren soll. Und gesünder soll das Essen auch werden: "Zusätzlich soll die Verwendung hochverarbeiteter Convenience-Produkte (Fertigprodukte) reduziert werden", heißt es in dem Bericht.

Überhaupt ist die Einkaufspolitik des Verteidigungsministeriums ein Impulsgeber für umweltgerechte Beschaffung – weil das Bundesheer Großeinkäufer ist, kann es strengere Standards einfordern. Das wurde erstmals in den 1980er Jahren schlagend, als bleifreies Benzin und Abgaskatalysatoren noch lange nicht vorgeschrieben waren, setzte das Verteidigungsministerium Standards für das öffentliche Beschaffungswesen. Aktuell heißt es: "Als Beitrag zur nationalen Energiewende sieht sich das Ressort auch in der Verantwortung, verstärkt in die nachhaltige Mobilität zu investieren. Neben der Beschaffung von weiteren 30 Stück Elektrofahrzeugen VW ID.3 zur Nutzung im innerstädtischen Bereich ist ein Ziel, das Klimaticket für Teile des Bundesheeres einzuführen." (Conrad Seidl, 9.1.2022)