Novak Djokovic im Vorjahr bei den Australian Open.

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Novak Djokovic hat sich das sicher alles ganz anders vorgestellt. Statt auf die ersten Bälle zu schlagen, steht er am Fenster des Quarantäne-Hotels für Einwanderer in Melbourne, schickt Bussis und Herzchen. Seinen Titel bei den Australian Open wird er wohl nicht verteidigen können.

Nicht ungelegene Inszenierung

Die Inszenierung könnte dem Serben aber gar nicht so ungelegen kommen – denn da steht er nun, einer der größten Tennisspieler aller Zeiten, und soll abgeschoben werden. Er, der sich so oft so missverstanden fühlt. Er, der so gerne der Widerspenstige wäre, der Kämpfer gegen Ungerechtigkeit, der Superheld – mit Tennisschläger statt Maske. Es geht nicht auf: Meist bleibt das Gefühl, dass Djokovic in seiner Auflehnung vor allem für eines steht: das Vorankommen seiner Karriere. "Djokovic schadet dem Sport", hieß es, als er zuvor eine Ausnahmegenehmigung für den Start beim Turnier erhalten hatte – obwohl er ungeimpft ist.

Symptomatisch für eine Entwicklung

Man könnte die Causa unter Allüren eines Superstars abtun. Oder aber diese Privilegien symptomatisch für eine Entwicklung im Sport sehen, die sich immer weiter zuspitzt: Wer besonders gut ist, wer besonders viel Aufmerksamkeit und Sponsorengelder bringt, schafft an. Regeln während einer globalen Pandemie? Wurscht. Die Kluft zwischen der breiten Gesellschaft und den Superstars wird dadurch noch größer. Djokovic schadet dem Sport nicht nur, er entmenschlicht ihn zusehends. (Andreas Hagenauer, 6.1.2022)