Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verkünden Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

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Am Donnerstag hatte man die seltene Gelegenheit, der Bundesregierung live beim Lernen zuzusehen: Selten zuvor haben sich Bundeskanzler und Gesundheitsminister so unsicher gezeigt, was die Entwicklung der Corona-Krise betrifft – mehrfach haben sie auch angesprochen, dass sie aus der abschätzbaren, aber eben nicht sicheren Entwicklung der Infektion lernen. Und dass sie eben vieles nicht wissen.

Etwa ob noch einmal ein Lockdown kommen wird. Bundeskanzler Karl Nehammer will nichts ausschließen – am Beispiel seines Vorvorgängers Sebastian Kurz hat er gelernt, dass politische Festlegungen in der Gesundheitspolitik die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt beschädigen können.

Neue Gegner mit jeder Maßnahme

Zu lernen war ja auch, dass man als Politiker mit jeder Maßnahme neue Gegner heranzieht und das Bild verstärkt, dass einzelne Maßnahmen als willkürlich empfunden werden. Zu oft haben sich Empfehlungen und Vorschriften geändert, zu selten ist überprüft worden, welche Maßnahme welchen Effekt hatte oder welche Maßnahme überhaupt eingehalten wird.

Mit ihrer Expertenkommission Gecko hat die Regierung ein Beratungsgremium eingerichtet, das vielfach den Eindruck erweckt hat, dass sich die Politik hinter Fachleuten verstecken will. Das sehen nach einer aktuellen Umfrage für den STANDARD immerhin 35 Prozent so. Gecko-Chef Rudolf Striedinger hat am Donnerstag darauf bestanden, dass dieser Eindruck falsch ist.

Das Richtige anordnen

Wahr ist vielmehr, dass die Regierung ihre Verantwortung wahrzunehmen hat, das aus ihrer Sicht Richtige anzuordnen – und dafür einzustehen, auch wenn diese Anordnungen von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt werden.

Dazu immerhin hat sich die Bundesregierung bekannt: Ja, die Maßnahmen werden verschärft. Man wird die ungeliebten FFP2-Masken jetzt vielfach auch im Freien tragen müssen. Man wird sich das lästige Vorzeigen des grünen Passes auch bei jedem Einkauf angewöhnen müssen. Und man wird damit rechnen müssen, dass eine "Aktion scharf" dafür sorgt, dass die Umsetzung dieser Regeln kontrolliert und mit Strafandrohung durchgesetzt wird. Das ist, wie der Bundeskanzler klargestellt hat, auch ein Gebot der Fairness: Nur durch flächendeckende Kontrollen ist sicherzustellen, dass Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen den Unternehmen herrscht – und nicht etwa einige Schlaumeier unter den Wirten und Händlern ihren Kunden augenzwinkernd anbieten, nicht ganz so genau hinzuschauen, wenn es etwa um den Impfstatus geht.

Mehr Bürokratie

Ja, das bedeutet mehr Bürokratie. Es bedeutet wohl auch die eine oder andere als schikanös empfundene Kontrolle.

Es bedeutet zudem, was nur so ganz nebenbei gesagt wurde, eine Verschärfung der Impfpläne: Wenn der grüne Pass künftig nur noch ein halbes Jahr lang gelten soll, dann wird man sich spätestens nach sechs Monate einen dritten Stich holen müssen. Und nach dem dritten Stich dann alle sechs Monate einen Booster? Nicht leicht zu verstehen. Hat man uns nicht versprochen, die Impfung sei der Gamechanger?

Ja, hat man. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat es noch einmal betont und zu erklären versucht: Die Impfung macht nicht alle anderen Maßnahmen unnötig – aber sie lässt Österreich im internationalen Vergleich relativ gut dastehen. Diese Lehre ist bei den Bürgern bisher nicht angekommen. (Conrad Seidl, 6.1.2022)