Negative Aussagen werden eher als wahr beurteilt als positive.

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Ob einer Aussage geglaubt wird oder nicht, hängt in einem erheblichen Ausmaß von ihrer Formulierung ab. Negativen Aussagen kommen dabei deutlich mehr Gewicht zu als positive, wie sich bereits bei früheren Studien gezeigt hat – selbst dann, wenn die Aussagen inhaltlich faktisch identisch sind. In der Fachwelt wird dieses Phänomen als Negativitätsverzerrung in der Wahrheitsbeurteilung bezeichnet. Der Kognitionspsychologe Benjamin Hilbig formulierte deshalb vor einigen Jahren die gängige Redewendung "traurig, aber wahr" in "traurig, also wahr" um. Aber was macht eine Aussage überhaupt "traurig, also wahr"?

Dieser Frage widmeten sich Rainer Greifeneder, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Basel, und seine Kollegin Mariela Jaffé in einer im Fachmagazin "Social Cognition" veröffentlichten Studie. In Zeiten von Fake News sei es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie Wahrnehmungen von Wahrheit entstehen, um die Gesellschaft vor Fehlinformationen zu schützen.

Verneinung als starke Triebkraft

In einem Online-Experiment unter deutschsprachigen Teilnehmern konnten die Basler Forschenden zeigen, dass negativen Aussagen tatsächlich eher geglaubt wird. Der Satz "61 Prozent der deutschen Frauen sind mit ihrem Aussehen nicht zufrieden" wird eher als wahr erachtet als der Satz "39 Prozent der Frauen sind mit ihrem Aussehen zufrieden". Zudem zeigte sich, dass Verneinungen eine besonders starke Triebkraft sind: "Nicht zufrieden" ist stärker als "unzufrieden".

Die Forschenden vermuten, dass die Stärke einer negativen Aussage darin liegt, dass sie "den Bereich der möglichen Zustände vergrößert". Was sie damit meinen: "Es gibt eventuell mehr Wege, wie eine Person nicht zufrieden sein kann im Vergleich zu Wegen, wie eine Person zufrieden sein kann", so Jaffè. Deshalb könne die verneinte Aussage plausibler erscheinen.

So ergab ein weiteres Experiment denn auch, dass negative Aussagen mehr Interpretationsspielraum zulassen. Manchmal, eher oder ein bisschen zufrieden wird demnach eher der Kategorie "unzufrieden" zugeteilt.

Rätselhafte Negativitätsverzerrung

Über die Ursache der Negativitätsverzerrung rätseln die Forschenden noch. So könnte der Ursprung in der Evolution liegen: Bei einem Warnsignal rennt man besser einmal zu viel statt einmal zu wenig davon. Auch könne es sein, "dass wir negative Nachrichten eher gewohnt sind, positive hingegen schneller unter den Verdacht des Manipulationsversuchs geraten", sagte Jaffé.

Sowohl für Absender als auch Empfänger von Nachrichten sei es wichtig, sich über die Wirkung von negativ gerahmten Aussagen und Verneinungen bewusst zu sein. Allerdings erachtet es die Forscherin als verwerflich, wenn Verneinung manipulativ eingesetzt würden. Greifeneder und Jaffé zufolge wäre es auch interessant zu untersuchen, ob sich ihre Ergebnisse für verschiedene Sprachen verallgemeinern lassen. (red, APA, 9.1.2022)