Die FH Campus Wien ist allein für die Qualitätssicherung ihrer Weiterbildungslehrgänge zuständig. Das gilt auch für den Master of Science zu "Ganzheitlicher Therapie und Salutogenese".

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An der Fachhochschule Campus Wien wird seit einigen Jahren der Lehrgang "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" abgehalten, nach dessen Abschluss man sich mit einem "Master of Science" schmücken darf. Das Angebot richtet sich an Interessierte aus allen Gesundheitsberufen, die für die Teilnahme an vier Semestern insgesamt rund 14.000 Euro zu zahlen bereit sind. Ein unlängst veröffentlichter STANDARD-Artikel über das Curriculum sorgt in der Hochschulpolitik aber weiterhin für Rumoren, befinden sich doch darin allerhand Fächer, die abseits der evidenzbasierten Medizin stehen – von Homöopathie über Anthroposophie bis Ayurveda.

Keine Akkreditierung nötig

Die lokale Studierendenvertretung fürchtet durch den "wissenschaftlich fragwürdigen" Lehrgang einen Rufschaden für die gesamte FH, die ÖH-Bundesvertretung schloss sich der Kritik an. Vielfach kam von Leserinnen und Lesern auch die Frage auf, welche Rolle das Wissenschaftsministerium und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ) bei der Akzeptanz des Lehrgangs spielen und gespielt haben – zumal die AQ Austria laut Gesetz über die Qualität im Hochschulwesen wachen soll.

Jedoch bringt es die aktuelle Rechtslage mit sich, dass bei Weiterbildungslehrgängen an Fachhochschulen erheblich laschere Mechanismen zur Qualitätssicherung vorgeschrieben sind als bei normalen Studiengängen, und das obwohl sich die akademischen Titel vom Namen her (noch) gleichen. Während neue FH-Studiengänge extern von der AQ Austria akkreditiert werden müssen, können FH-Weiterbildungslehrgänge ohne AQ-Akkreditierung ins Leben gerufen werden. So auch geschehen bei der Einrichtung des Masterlehrgangs "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" 2018 an der FH Campus. Zwar muss sich eine etablierte Fachhochschule alle sieben Jahre einem Auditverfahren durch eine legitimierte Agentur unterziehen, dabei werden aber nicht einzelne Lehrangebote geprüft, sondern nur das hochschulinterne Qualitätsmanagement als Ganzes. Die FH Campus wurde etwa zuletzt nach einem Audit der deutschen Agentur Evalag im Jahr 2017 zertifiziert.

Polaschek kann nicht prüfen lassen

Allerdings hat die türkis-grüne Koalition vergangenen Sommer eine Novelle beschlossen, die mehr Ordnung und höhere Standards in den Weiterbildungssektor bringen soll. Bereits in Kraft steht eine neue Bestimmung im Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, wonach der Wissenschaftsminister bei "begründeten Zweifeln hinsichtlich der qualitativen Durchführung und Inhalte" die AQ Austria jederzeit mit der Überprüfung eines Lehrgangs beauftragen kann. Auf Anfrage erklärt das Ministerium jedoch, dass solch ein Prozedere für den besagten Lehrgang juristisch derzeit nicht schlagend werden kann, weil dieser noch auf Basis der alten Rechtslage installiert wurde, für die bis Oktober 2023 eine Übergangsfrist bestehe. "Die Einrichtung und Qualitätssicherung der Weiterbildungslehrgänge liegt in der Autonomie der Fachhochschulen", heißt es weiter.

Die AQ Austria schreibt dem STANDARD, dass der Lehrgang mangels Akkreditierungspflicht auch von ihrem Aufsichtsrecht über FHs nicht direkt umfasst werden könne. Das Aufsichtsrecht betreffe nämlich nur die Einholung von Informationen über die Voraussetzungen der Akkreditierung. Ab Herbst 2023 dürfe man immerhin auf Veranlassung des Ministers einzelne Lehrgänge prüfen, jedoch "leider" auch dann nicht aus eigenem Antrieb, wie die AQ kritisch anmerkt.

Aufgeheizte Stimmung

Festzuhalten ist an dieser Stelle: Ob es wegen des mit fragwürdigen Heilmethoden bestückten Curriculums dereinst zu einem externen Prüfverfahren des FH-Lehrgangs kommen wird, ist ebenso Spekulation wie dessen möglicher Ausgang. Ohne Spuren bleibt die Debatte innerhalb der Fachhochschule aber schon jetzt nicht. Kurz nachdem DER STANDARD berichtet hatte, dass der Lehrgang von der FH auf der Website mit dem Arzt und Lektor Gerhard Kögler beworben wird, der den impfkritischen Brief an die Ärztekammer unterschrieben hatte, wurde sein Auftritt online entfernt. Lehrgangsleiter Gerhard Hubmann, der das eigene Eintreten für die Impfung betont, begründet die Löschung damit, dass die allzu prominente Platzierung Köglers in der "momentanen, sehr aufgeheizten Stimmung" womöglich einen falschen Eindruck vermittelt habe. Kögler bleibe aber als "ausgewiesener und hervorragender Experte" im Praxismodul Traditionelle Medizin weiter aktiv, kündigt Hubmann an. Er sieht die FH Campus Wien als "idealen Ort zum Austausch über ganzheitsmedizinische Methoden".

Rückhalt genießt der Lehrgang weiterhin auch durch den Vorsitzenden der FH-Geschäftsleitung Wilhelm Behensky. Mit der Kritik an mangelnder wissenschaftlicher Basis bei einigen Fächern konfrontiert, verweist Behensky auf die in den Lehrgang involvierte Akademie für Ganzheitsmedizin (Gamed), in deren Vorstand wiederum Hubmann und Kögler sitzen. Die Gamed habe ihm versichert, dass es Evidenz für die Homöopathie gebe, berichtet Behensky. Da fast alle Lehrenden "Ärzte und Schulmediziner" seien, könne er sich kaum vorstellen, dass an den angebotenen Methoden nichts dran sei. Er müsse sich da aber vorerst auf die Expertise der Lehrgangsleitung und der beteiligten Lehrenden verlassen. Wobei Behensky hinzufügt: "Wenn wir im Zuge weiterer Recherchen draufkommen, dass einzelne Fächer nicht evidenzbasiert sind, werden wir das Curriculum natürlich überdenken. Wir müssen das jetzt vertieft recherchieren und sind für Hinweise und einen Diskurs dankbar."

Lehrgangsleiter lobt fachliches Fundament

Lehrgangsleiter Hubmann, der nicht nur als Homöopath, sondern vor allem als praktisch erfahrener "Schulmediziner" bezeichnet werden will, sieht das fachliche Fundament auch durch die Auswahl der Lehrenden gewährleistet. "In den letzten Jahren konnte ich ein großes Netzwerk an namhaften Wissenschafterinnen und Wissenschaftern aufbauen", sagt er.

Eine Recherche zeigt, dass sich ein Gutteil des ärztlichen Lehrpersonals aus dem Umfeld der Gamed, dem Dachverband für Ganzheitsmedizin sowie diversen Alternativmedizin-Vereinen rekrutiert, deren Proponenten freilich das Framing "Komplementärmedizin" bevorzugen. Zuletzt gab es etwa mehrere Kursleiter, die in der Vorstandsriege der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin oder der Gesellschaft für Anthroposophische Medizin organisiert sind.

Zauberformel

Für das Pflichtfach Ayurveda engagiert die FH den Wiener Arzt Lothar Krenner, der seit Jahrzehnten esoterisch angehauchte Ansätze wie die Transzendentale Meditation und das Maharishi Ayurveda propagiert. In Nationalratswahlkämpfen der 1990er-Jahre wurde er als Spitzenkandidat der Naturgesetz-Partei durch die Forderung bekannt, dass Österreich mit einer Truppe von tausend Yogischen Fliegern spirituell aufrüsten solle. Auch in Presseaussendungen der jüngeren Zeit ließ er immer wieder mit ausgefallenen Behauptungen aufhorchen. Laut Krenner "weiß man von Studien her, dass eine Gruppe von meditierenden Experten in der Größe von der Quadratwurzel von 1 bis 5 Prozent der Bevölkerung notwendig ist", um das kollektive Stresslevel der Gesellschaft zu senken und so das weltweite Problem des Terrorismus in den Griff zu bekommen.

Mitunter mehr dazu lässt sich ab dem Wintersemester wieder an der FH Campus erfahren. Dann soll die Neuauflage des Lehrgangs "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" starten – die Bewerbungsphase läuft schon. (Theo Anders, 12.1.2022)