Pauline Boudry und Renate Lorenz zeigen in ihren Arbeiten die Mechanismen der Ausgrenzung, behandeln Gender-, Asyl- und Klassenfragen und Protest aus queerer Perspektive.

Foto: Boudry/Lorenz Courtesy of Ellen de Bruijne Projects Amsterdam and Marcelle Alix Paris

In der pandemischen Gegenwart verläuft die Trennlinie zwischen dem Gleichen und dem Anderen hauptsächlich über den Oberarm, besser gesagt über den Stich in denselben. Das hat viele Zerwürfnisse hervorgebracht, soll aber nicht heißen, dass andere gesellschaftliche und soziale Gräben weniger tief geworden sind.

Der Blick darauf ist halt gerade ein bisschen von Virus vernebelt. Insofern haben die Rauchbomben, die Pauline Boudry und Renate Lorenz legen, eher erhellende als verdunkelnde Wirkung.

Das in Berlin beheimatete Künstlerinnen-Duo kreist in seinen filmischen Inszenierungen um Mechanismen der Ausgrenzung, des Verbergens und des Sichtbar-Machens, um Gender-, Asyl- und Klassenfragen und um stillen bis schrillen Protest aus queerer Perspektive.

Angezeigt wird diese durch allerlei Glitzerfummel und Requisiten, wie man sie auf der Biennale Venedig 2019 auch im Schweizer Pavillon vorfand. Boudry und Lorenz hatten ihn in einen Nachtklub samt Lamettavorhang verwandelt, in dem sie mit einer choreografierten Rückwärtsbewegung auf den weltweit um sich greifenden konservativen Backlash reagierten. Ein gelungener Auftritt, bei dem auch das Publikum Teil der Inszenierung wurde.

Die Grenzen zwischen Bühne und Beobachtern zu verwischen ist auch das Anliegen der Schau Kunstraum Innsbruck, die unter dem Titel Silent Manifesto drei Filminstallationen aus den Jahren 2014 bis 2019 zeigt.

Allzu banal

Transparente Screens lassen die Bilder durch den Raum wandern, so hat man irgendwann die Landebahn des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof unter den Füßen und sieht sich einer Fluglotsin gegenüber, die Passagen aus der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 rezitiert.

The Right To Have Rights heißt dieser in blecherne Maschinenklänge mündende Achtminüter, der an das Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik erinnert, inhaltlich wie ästhetisch aber allzu banal gestrickt ist. Als vielschichtiger erweisen sich zwei weitere Kapitel dieser durch den abgedunkelten Raum wandernden Erzählung über die Zusammenhänge zwischen queerer Kultur und sozialen Bewegungen.

In der Ruine eines öffentlichen Schwimmbades geht blauer und rosafarbener Rauch auf, hier finden sich Verweise auf eine politische Untergrundbewegung der 1970er, hier rezitieren Drag-Performer Jean Genets Text über den "erklärten Feind".

Auf dem Berliner Oranienplatz, auf dem sich einst ein Refugee Protest Camp befand, ist wiederum John Cages 4’33 die stille Ouvertüre für einen Song über Komplizenschaft, Terror und das Überleben von Transgender-Personen.

Als Requisiten tauchen bei Boudry und Lorenz immer wieder überdimensionale Kunsthaarperücken auf. Ein imposantes Exemplar dieser "Wig Pieces" hilft jetzt auch im Innsbrucker Kunstraum beim Hinterfragen geschlechterspezifischer Normen. (Ivona Jelcic, 8.1.2022)