Einigeln gegen die Zumutungen des sozialen Austauschs: In "Beatrix" verkörpert Eva Sommer eine junge Frau, die sich in einem Haus mit Garten abkapselt.

Wer sich allein langweilt, entwickelt wunderliche Routinen. Der Raum füllt sich mit den Zeichen vergangener Tätigkeiten. Auf dem Couchtisch im Wohnzimmer bleibt zum Beispiel der Toaster stehen. Den braucht man am nächsten Morgen ja wieder. Daneben lümmelt Beatrix zu allen möglichen Zeiten, der Schlaf überwältigt sie wiederholt – es ist schließlich Sommer. Die Fernbedienung ist nur dazu da, das Gerät an- und auszustellen. Das Programm, von dem sich die junge Frau höchstens berieseln lässt, passt trotzdem gut dazu: eine Dokumentation über Wildtiere. Also noch ein "Naturzustand".

BEATRIX Film

Beatrix ist die Titelheldin von Milena Czernovskys und Lilith Kraxners bemerkenswertem Filmdebüt. Die beiden heimischen Filmemacherinnen erzählen von einer jungen Frau, die sich einen Sommer in einem Haus mit Garten einquartiert. Sie ist die meiste Zeit allein, ganz unbeobachtet. Sie lässt sich nicht gehen, rafft sich aber auch zu keiner besonderen Aktivität auf. Sie existiert, und Schluss.

Nicht einmal das Nichtstun folgt einem Zweck: Das ist keine Gegenreaktion auf unsere so eng getaktete Lebensrealität, kein Akt der Dekompression, der wieder funktionstüchtig machen soll. Mit nur einem abgetragenen T-Shirt und Unterhose bekleidet, füllt Beatrix die Räume mit der Präsenz ihres Körpers, in der sich das Banale mit dem Kreatürlichen verbindet. Eva Sommers leicht enthemmte, jedoch nie auf Äußerlichkeiten gerichtete Darstellung hält bravourös die Spannung.

Wiederkehrende Muster vor dem Kühlschrank

Czernovsky und Kraxner – die eine studiert an der Angewandten, die andere an der Bildenden in Wien – haben mit ihrem völlig unabhängig auf die Beine gestellten Film 2021 gleich mehrere Preise eingeheimst, zuerst auf dem Festival von Marseille, dann auf der Viennale, nun sind sie auch nach New York ans Lincoln Center eingeladen. Eine Inspiration zum Film entstammte Ingeborg Bachmann Erzählung Probleme, Probleme, in der die ebenfalls Beatrix benannte Hauptfigur eine Verweigerungskünstlerin ist, die schon profanere Dinge des Alltags "grauenvoll" findet. Wichtig war den beiden Künstlerinnen aber vor allem der Austausch darüber, was man alles (nicht) tut, wenn man mit sich selbst beschäftigt ist. Da erkennt man dann schnell wiederkehrende Muster, die man teilt.

Beispielsweise immer wieder den Kühlschrank nach Essbarem durchsuchen – und dann notfalls Senf auf jeden Finger! Obwohl Beatrix viel von seiner Originalität diesem Blick auf Handlungen und Körperbilder verdankt, die sonst im Verborgenen bleiben, leistet er noch mehr. Die Figur mag abstrakt angelegt sein, über ihre Routinen aus Körperpflege, Putzen, Herumfläzen und anderen Formen der Prokrastination offenbart sich aber auch ein trotziger Charakter, der sich auf keine Rolle festlegen will – oder kann.

Der Besuch einer Freundin, die überraschend mit männlicher Begleitung kommt, gerät dann zu einem komischen Höhepunkt des Films. Beatrix’ Vorfreude erhält sichtbar einen Dämpfer, sie lässt den Gast mit kindlichem Starrsinn spüren, dass er unerwünscht ist. Umso ausgelassener wird gefeiert, als sie sich gegen den Konkurrenten durchsetzt und die Frauen unter sich bleiben können.

Männerbesuch als Vorwand

Das soziale Miteinander bleibt allerdings eine Herausforderung. Gesellschaft erfordert Anpassung und Verstellung. Beim Alleinsein ist Beatrix frei und ungehemmt, trifft sie auf andere, wirkt sie schnell angestrengt, es passieren "Fehler". Schon bei ihren Telefonaten wird deutlich, dass sie nach außen nur den Schein wahrt. Großartig ist auch ein Männerbesuch, der ihr nur als Motivation dient, sich wieder einmal schön zu machen.

Czernovsky und Kraxner verweigern psychologische Deutungen. Auch stilistisch arbeiten sie prägnant, die statische Kamera bezieht das Off der Bilder ein, lässt Körper und Raum miteinander in Dialog treten: So öffnen sie dem Publikum die intime Welt einer Figur, die zwischen dem Wunsch nach Abkapselung und der Sehnsucht nach Austausch nicht zur Ruhe kommt. Man schaut gleichsam ihrem Begehren dabei zu, wie es sich immer wieder neu ausrichtet. (Dominik Kamalzadeh, 8.1.2022)