Will gute Laune machen, schaut dabei aber ganz schön alt aus: Abel Tesfaye alias The Weeknd.

Universal Music

Zur Stützung der Trademark beginnt es, wie es beginnen muss. Es säuselt ein Intro, leidvoll, verschnupft. Schließlich ist Abel Tesfaye zugange. Der Kanadier ist seit einem langen Jahrzehnt als The Weeknd angesagt und populär. Gestern, Freitag, hat er fast spontan ein neues Album veröffentlicht, es heißt Dawn FM und ist besser als befürchtet, zumindest stellenweise.

Von einer Außenseiterposition aus gestartet – Schule schmeißen, Drogen werfen –, wurde der heute 31-Jährige als lichtscheuer Schlafzimmerproduzent zum Popstar. Dabei hat er wenig mehr getan, als wie eine verkiffte Kreuzung aus Michael Jackson und Landsmann Justin Bieber zu klingen, hinzu kam eine Neigung zum Spielzeug Autotune, dem Stimmkorrekturwerkzeug für tiefbegabte Vokalakrobaten. Damit traf er den Zeitgeist – welcher auch immer das gewesen war.

Dawn FM ist nun eine Frohbotschaft an die Fans, zumindest hat Tesfaye es so angekündigt. Er wollte nicht groß aufs Marketing schauen, es sei jetzt einfach die Zeit, die Menschen mit hoffnungsfroher Musik zu beglücken, so lautete die Ansage.

TheWeekndVEVO

Nun beglückt man niemanden mit Jammerlappenmusik. Die Annahme, geteiltes Leid sei halbes Leid, zieht da nicht. Was zieht, ist Geschwindigkeit, und der ergibt sich The Weeknd im ersten Drittel des 16 Titel umfassenden Werks. Und zwar dergestalt, dass man glauben könnte, irgendein KI-Programm habe aus den 1980ern Hits destilliert und süffig neu arrangiert.

Lange Gästeliste

Songs wie Gasoline, How Can I Make You Love Me?, Take My Breath oder Sacrifice klingen wie Arbeiten einer noch nie gehörten Gruppe aus der Schublade der New Romantics. Einerseits. Andererseits wie ein Mix aus den frühen Depeche Mode und Chris de Burgh – was sich schrecklicher liest, als es sich letztlich anhört.

TheWeekndVEVO

Tesfaye bleibt sich so betrachtet treu, indem er hemmungslos beim 1980er-Jahre-Pop fladert, Pardon, sich von ihm inspirieren lässt. Dass das einen gewissen Bart hat, vermittelt seine Darstellung auf dem Albumcover, das den Musiker als alten schwarzen Mann zeigt. Das hat sicher etwas zu bedeuten, es ist nur nicht klar, was.

Doch nach dem guten ersten Drittel wird Dawn FM dann weniger stringent: Es tauchen Miniaturen auf, Gäste wie Tyler, The Creator, der nicht sehr stört, weil der Song, für den er gebucht wurde, ohnehin nicht viel kann. Musikerlegende Quincy Jones erzählt aus seiner harten Jugend, und mit Jim Carrey, dem Schauspieler, taucht ein Überraschungsgast auf. Musikalisch schlägt sich nichts davon besonders nieder.

Das Versprechen hoffnungsfroher Musik ist da längst vergessen, es jammerlappt. Ganz unerwartet kommt das nicht. (Karl Fluch, 8.1.2022)