Serbiens Präsident Aleksandar Vučić ruft Australien zu Gnade mit dem Tennisstar auf.

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Belgrad – Der Streit zwischen Serbien und Australien rund um die Einreise des mutmaßlich ungeimpften Tennis-Superstars Novak Djokovic nimmt zunehmend bizarre Züge an. "Ganz Serbien" , schrieb Präsident Alexander Vučić am Donnerstag – mitten in der serbischen Weihnachtszeit –, stehe hinter "unserem Novak". Er, so Vučić, habe gerade mit dem Tennisstar telefoniert und ihm versichert, dass sich die Heimat für ihren berühmtesten Sohn im fernen Australien einsetzen werde, der nun in Melbourne in einem Quarantänehotel festsitzt.

Der australische Botschafter in Belgrad, Daniel Emery, wurde zudem ins Außenministerium zitiert und eindringlich gebeten, sich für ein Ende der "Belästigungen" gegen Djokovic durch die australischen Einwanderungsbehörden einzusetzen. In einem Brief erinnerte Belgrad Canberra an den "freundschaftlichen Geist" zwischen Serbien und Australien, das eine große serbische Diaspora beherbergt.

Ganz Serbien? Nein, denn in das nationalistische Getöse mischen sich in dem Balkanland und der Region nun auch kritischere Stimmen. Während Vučić die Serbinnen und Serben auf den Kampf für "Novak, Gerechtigkeit und Wahrheit" einstimmte, nannte der Oppositionelle Nenad Čanak den Tennis-Nationalhelden auf Twitter einen "Esel", der nicht deshalb nicht zu den Australian Open reisen darf, weil er ein Serbe ist, sondern weil er ungeimpft ist.

"Gesetz gilt für alle"

Regierungschefin Ana Brnabić, eine Verbündete des autoritär agierenden Vučić, hatte zuvor in den Chor der Empörten eingestimmt.

Andere Gründe als politische könne sie für die "Ungleichbehandlung" des Tennisspielers nicht erkennen. "Tatsache ist, denke ich, dass Novak anders behandelt wurde", so Brnabić weiter. Es gebe etwa 20 andere Teilnehmer der Australian Open, für die Ausnahmen von der Pflicht zur Vorlage eines Impfzertifikats gelten würden. Djokovic sei der Einzige mit einer solchen Ausnahmegenehmigung, dem die Einreise verweigert worden sei, fuhr die Politikerin fort. Inzwischen wurde auch der Tschechin Renata Voráčová das Visum für Australien entzogen.

Jadranka Kosor, deren Meinung als ehemalige kroatische Premierministerin bis heute vielerorts auf dem Balkan Gehör findet, widerspricht: "In anständigen Staaten, wo das Gesetz für alle gilt, gilt das Gesetz für alle", richtete sie den Djokovic-Fans und dem Nachbarland aus. Aleksandar Stanković vom staatlichen kroatischen Sender HRT, einer der einflussreichsten Journalisten des Westbalkan, klang ich seiner Conclusio ähnlich: "Ein Spitzensportler, der sich selbst zum Idioten macht. Da gibt es starke Konkurrenz, aber einer gibt sich zurzeit besonders Mühe", schrieb er über den Tennis-Star.

"Schande für Australien"

In Serbien selbst waren sich die Massenmedien in der heuer gar nicht so stillen serbisch-orthodoxen Weihnachtszeit weitgehend einig. Das Boulevardblatt Kurir witterte hinter dem Einreiseverbot pure Absicht: Wenn man den "Djoker" schon auf dem Platz nicht besiegen könne, probiere man es eben so. Blic, ebenfalls am Boulevard angesiedelt, konstatierte eine "Schande für Australien". Ähnlich schrill informierte die Belgrader Zeitung Informer "Skandal und Schande: Novak in Melbourne festgenommen". (flon, 8.1.2022)