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2007 engagierte sich Karl-Heinz Grasser für Meinl International Power, wegen seiner Vertriebsprovision landet er heuer auf der Anklagebank. Die MIP war letztlich nicht erfolgreich.

Foto: AP/Roland Zak

Warten heißt es derzeit für Karl-Heinz Grasser. Zum einen ist immer noch das schriftliche Urteil in der Causa Buwog/Terminaltower ausständig, in der wurde der Ex-Finanzminister am 4. Dezember 2020 nicht rechtskräftig zu acht Jahren Haft verurteilt. Gleichzeitig wartet Grasser schon auf seine nächste Hauptverhandlung. Denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat ihn und seinen einstigen Steuerberater H. im vorigen Dezember wegen Steuerhinterziehung angeklagt, nachdem kein Einspruch erhoben wurde, ist die Anklage rechtskräftig. Richter Michael Tolstiuk wird die Causa im ersten Halbjahr 2022 verhandeln, der genaue Termin steht aber noch nicht fest. Gleich vorweg: Grasser und H. bestreiten den Vorwurf, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Die Angelegenheit reicht ins Jahr 2007 zurück und somit in jene Zeit, in der Grasser nach dem Ende seiner politischen Karriere bei Julius Meinl V. angedockt hat. Damals wurde die Meinl International Power (MIP) gegründet, die in Wind- und Solarparks in Osteuropa investieren sollte, das Kapital sollte durch einen Börsengang aufgebracht werden.

Grasser winkten Millionen

Grasser sollte sich zu einem Drittel an der Managementfirma, der Meinl Power Management (MPM), beteiligen "und aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrads sowie seiner Vielzahl an nationalen und internationalen Kontakten als Chairman des Board of Directors der MPM die Galionsfigur dieses Projekts werden", heißt es in der Anklageschrift. Er sollte "quasi als door opener" fungieren, beschrieb es Julius Meinl als Zeuge im Ermittlungsverfahren. Und, so der Staatsanwalt: Grasser sei damals natürlich klar gewesen, dass sein Engagement für ihn persönlich ein "Einkommen in Millionenhöhe" mit sich bringen würde.

Und genau um dieses geht es in der Anklage. Die WKStA wirft dem Ex-Minister vor, er habe rund 4,38 Millionen Euro an Provisionen nicht versteuert, die er 2007 für Vertriebsleistungen bekommen habe. Somit habe er 2,16 Mio. Euro an Abgaben hinterzogen, sein Berater habe ihm dabei geholfen. Der habe die Idee für jene Konstruktion via British Virgin Islands gehabt, über die die Vertriebsprovision abgewickelt wurde, zwei nicht nachzuverfolgende Vertragsrechtskreise entwickelt, Grasser beraten und einen entsprechenden Vertriebsprovisionsvertrag beschafft – und all das "mehrfach zwecks Hinterziehung der Provision adaptiert".

Hohe Strafdrohung

Die Strafdrohung: Geldstrafe bis zum Doppelten des hinterzogenen Betrags und allenfalls eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren*.

Grassers Anwalt, Manfred Ainedter, rechnet mit einem Freispruch, wie er auf Anfrage sagt: Man habe gute Argumente, um die Anklage zu widerlegen. Das Abgabenverfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu alldem läuft übrigens noch immer: Da geht es um die Frage, ob die Vertriebsprovision Grasser zurechenbar ist und ob ihn eine persönliche Steuerpflicht trifft – beides sieht der Ex-Minister nicht so. Er sagt ja, er habe sich auf seinen Berater verlassen, während der sagt, Grasser habe die Konstruktion eigenmächtig verändert; Grasser hat H. auch geklagt. Dieses Verfahren vor dem Handelsgericht ist unterbrochen.

Widersprüche zwischen H. und Grasser erschließen sich auch aus der 100-seitigen Anklageschrift, die dem STANDARD vorliegt, sie haben sich im Ermittlungsverfahren ergeben. Rund um die hochkomplexe und "doppelstöckige" Konstruktion mit Offshore-Gesellschaften und Stiftungen in Steuerparadiesen wie auf den British Virgin Islands oder Zypern (erinnert sei etwa an die Namen Silverwater, Walterland oder Man Angelus) war laut WKStA die Frage zentral, ob Grasser von seinem Berater H. davor gewarnt wurde, auch die Vertriebsprovision über die Stiftungskonstruktion abzuwickeln. Zur Erinnerung: Grasser hat aus seinem Engagement insgesamt rund neun Millionen Euro lukriert, es standen ihm ja auch andere Einkünfte zu.

Hausbesuche und Strahlkraft

In den Augen der WKStA hing die Vertriebstätigkeit aber unmittelbar an der Person Grasser, sei der eben "Galionsfigur" des Projekts gewesen. Wäre dem so, müsste er (oder seine Firma) das auch versteuern. Er sei ja auch immer in eigenem Namen (und nicht in dem seiner Beratungsfirma oder anderer eingebunden Gesellschaften) aufgetreten, habe laut Zeugen sogar "Hausbesuche" bei potenten Kunden gemacht. Er habe seine "Strahlkraft" als Ex-Minister geschickt eingesetzt und mit seinen rhetorischen Fähigkeiten geglänzt, schreibt der Staatsanwalt in dem Zusammenhang.

Grasser und H. widersprachen einander in diesem ganz zentralen Punkt: H. sagte aus, er habe Grasser in Bezug auf eine etwaige Steuerpflicht gewarnt (in Bezug auf eine etwaige Abgabenhinterziehung), der stellte das in Abrede.

Widersprüche der zwei Angeklagten gibt es auch bei der Rollenverteilung. Für Grasser ist H. das "Mastermind" des Stiftungskonstrukts, er selbst will die Dokumente, die er von H. in dem Zusammenhang bekam, "großteils nicht einmal durchgelesen, sondern unreflektiert unterschrieben" haben, heißt es in der Anklage. Mehrfach habe Grasser betont, die Konstruktion nicht verstanden zu haben und einen Teil der Gesellschaften nicht einmal gekannt zu haben. Sein Berater sieht das alles anders, so habe Grasser Änderungswünsche etwa für Beistatuten der involvierten Gesellschaften gehabt, in einem Fall habe er auch sogar die Idee für eine Treuhandlösung gehabt.

Die WKStA ordnet das so ein: Beide seien sie bestrebt gewesen, ihre eigene Verantwortung klein zu reden und aufs Gegenüber abzuschieben.

Spezialsteuerwissen oder Dilettantismus?

Und was hätte der Ex-Finanzminister eigentlich wissen müssen, über solche Steuerthemen? Grasser sei "grundsätzlich bemüht gewesen, sich als völlig steuerrechtlich ungebildet und unwissend darzustellen", ist in der Anklage zu lesen. Die WKStA attestiert ihm dagegen "überdurchschnittliches steuerrechtliches Wissen" und stützt sich dabei auf sein Betriebswirtschaftsstudium, seine Diplomarbeit und seine sieben Jahre als Finanzminister (2000 bis 2007). Grasser sei, anders als von ihm behauptet "kein steuerlicher Dilettant".

Er und H. hätten im Vergleich zum Normalbürger ein "geradezu überdurchschnittliches steuerrechtliches (Spezial-)Wissen – es sei ihnen daher bewusst gewesen, dass Grasser seine Provisionszahlungen 2007 in seiner Einkommenssteuererklärung deklarieren hätte müssen.

Die hat 2009 übrigens nicht H. eingebracht, sondern Grassers langjähriger Steuerberater. Er hat laut Anklage erst 2010 von Grassers steuerlichem Paralleluniversum erfahren. (Renate Graber, 8.1.2022)

*Änderung am 10.1.2022: Der Strafrahmen für eine etwaige Freiheitsstrafe beträgt bis zu zwei Jahre und nicht, wie irrtümlich zunächst berichtet bis zu vier Jahren.