Die Impfung reduziert das Risiko dadurch, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Corona von vornherein verringert.

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Es werde zur Durchseuchung der Bevölkerung kommen, meint Katharina Reich, Leiterin der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko), im Ö1-Interview und unterstreicht damit den Paradigmenwechsel im Umgang mit der Corona-Pandemie.

Auch für Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna ist eine kontrollierte Durchseuchung mehr oder weniger alternativlos, auch weil die Akzeptanz der Bevölkerung für härtere Maßnahmen nicht mehr gegeben sei. Es komme aber darauf an, wie schnell man die Welle durchlaufen lasse: "Wenn wir sie abflachen, gewinnen wir Zeit. Die muss dafür genützt werden, dass sich mehr Menschen impfen oder boostern lassen. Das ist der einzige Hebel, den wir im Moment haben. Je mehr Personen immunisiert sind, desto glimpflicher wird die Welle ausfallen."

Entscheidend sei zudem, wie viele Omikron-Infizierte mit welchem zeitlichen Abstand in den Spitälern aufgenommen würden und wie lange sie dort blieben: "Das können wir wegen fehlenden Datenabgleichs nur schlecht abschätzen. Deshalb muss man sich mit den Daten aus Dänemark oder Großbritannien behelfen, wo es aber eine völlig andere Immunisierung gibt."

Erhöhtes Risiko für Wien

Klimek weist außerdem darauf hin, dass es in den nächsten Wochen wohl regionale Unterschiede geben wird: "Wien ist vergleichsweise gut durch die vierte Welle gekommen. Das bedeutet aber, dass hier paradoxerweise das Risiko für Omikron höher sein könnte, weil es womöglich größere immunologische Lücken gibt – unter der Annahme, dass eine überstandene Delta-Infektion vor Omikron schützt."

Unabhängig vom Tempo der Durchseuchung bleibt eine Frage offen: Wie geht es mit Long Covid weiter? Ob und in welchem Ausmaß Impfungen davor schützen, ist nicht klar. Die wenigen Studien, die es dazu gibt, liefern unterschiedliche Ergebnisse. Was man sagen kann: Die Impfung reduziert das Risiko allein dadurch, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Corona von vornherein verringert. Bei der Strategie der Durchseuchung wird das allerdings obsolet.

"Man kann nicht davon ausgehen, dass die Impfung in einem verlässlichen Ausmaß vor Long Covid schützt, das Risiko scheint bei Geimpften mit Durchbruchsinfektion allerdings ein bisschen geringer zu sein", meint der Neurologe Michael Stingl. Er erwartet, dass sich – wie bei Alpha oder Delta – auch nach einer Infektion mit Omikron Long Covid entwickeln kann. "Wenn sich jetzt viele Menschen anstecken, werden wir viele Personen haben, die gleichzeitig über mehrere Monate eingeschränkt sind." Wie viele Betroffene es gebe, könne man schwer sagen: "Man geht von zehn Prozent aus. Genau wissen wir das in Österreich nicht, weil es nicht erhoben wird. Das ist ein Riesenversäumnis." Fest stehe aber: "Es ist definitiv ein Risiko da." (Pia Kruckenhauser, Magdalena Pötsch, Klaus Taschwer, 8.1.2021)