H. ist seit Dezember 2020 in Gewahrsam, er kämpft um seine Freilassung.

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Wer durch Wien spaziert, kommt an ihnen nicht vorbei: Auf hunderten Plakaten wird "Freiheit für Julian" gefordert, den Drahtzieher des Ibiza-Videos. Wer hinter der Aktion steckt, ist bisher nicht bekannt. Öffentlichkeitswirksame Unterstützungserklärungen für Julian H. gibt es allerdings viele: Zwölf Nichtregierungsorganisationen hatten sich über die Ermittlungen gegen H. besorgt gezeigt, deren Ergebnisse seit September 2021 vor Gericht verhandelt werden.

Um das Ibiza-Video geht es da nur indirekt: H. wird vorgeworfen, Suchtgift verkauft und Urkunden gefälscht zu haben. Die Vorwürfe entstanden freilich aus den umfassenden Ermittlungen, die nach dem Erscheinen des Skandalvideos gegen H. geführt worden sind. Obwohl sich die Polizisten der Soko Tape sowohl um die Urheber als auch um die Inhalte des Ibiza-Videos kümmern sollten, hätten laut H.s Anwälten teils 17 von 20 Mitgliedern der Sonderkommission gegen H. ermittelt – und das, obwohl die umfassenden Korruptionsermittlungen gegen Politiker und Unternehmer eigentlich ressourcenintensiv sind.

"Falschaussagetendenzen"

Dazu kam, dass die Hauptvorwürfe gegen H. durch die Arbeit eines Polizisten aufgekommen sind, der sich einerseits in der ÖVP engagiert hatte, andererseits Unterstützungsnachrichten an den durch das Ibiza-Video zurückgetretenen Heinz-Christian Strache gerichtet hatte. All das wurde im Ibiza-Untersuchungsausschuss thematisiert.

Seit Dezember 2020 ist H. jedenfalls in Haft: zuerst in Auslieferungshaft in Deutschland, dann in Untersuchungshaft in Österreich. Erste Verhandlungstermine in seinem Prozess zeigten widersprüchliche Aussagen der Hauptbelastungszeugen; der Vorsitzende des Schöffensenats monierte unvollständige Akten.

Mit Verweis auf "Falschaussagetendenzen" und Ungereimtheiten im Prozess brachten H.s Anwälte Oliver Scherbaum und Wolfgang Auer Anfang Dezember eine Haftbeschwerde ein: Der Drahtzieher des Ibiza-Videos könne in Freiheit einer geregelten Tätigkeit nachgehen und bei seiner Familie wohnen; die U-Haft sei jedenfalls nicht verhältnismäßig. Der dringende Tatverdacht habe sich durch die Geschehnisse in der Hauptverhandlung jedenfalls nicht bestätigt.

Kurz vor Weihnachten 2021 erteilte das Oberlandesgericht Wien dem Ansinnen eine Abfuhr: Ein elektronisch überwachter Hausarrest reiche nicht aus, um eine Fluchtgefahr auszuschließen. Außerdem könne man Suchtgift online bestellen, wodurch auch Tatwiederholungsgefahr drohe.

Grundrechtsbeschwerde

Dagegen brachte H.s Verteidigung nun eine Grundrechtsbeschwerde ein – auch weil unklar ist, wann der nächste Verhandlungstermin in seinem Prozess ist. Das Oberlandesgericht Wien sei nicht auf die widersprüchlichen Zeugenaussagen bei der Hauptverhandlung eingegangen, monieren H.s Anwälte. Deshalb soll sich nun der Oberste Gerichtshof mit der Angelegenheit befassen.

Rund um die Korruptionsermittlungen, die das Ibiza-Video ausgelöst hatte, kam es bislang übrigens noch zu keiner einzigen U-Haft, allerdings bereits zu einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung Straches. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 10.1.2022)