Sowohl Journalisten als auch die Leserschaft seien zu einem gewissen Grad "ausgebrannt" von zunehmend polarisierten Debatten, attestiert das Reuters Institute, das für Medien 2022 als "Jahr der Konsolidierung" sieht.

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Oxford/Wien – 2022 werde ein Jahr vorsichtiger Konsolidierung für eine von der andauernden Covid-Krise geprägte Nachrichtenindustrie, fasst das Reuters Institute in Oxford seine jüngsten Prognosen zusammen. Sowohl Journalistinnen und Journalisten als auch die Leserschaft seien zu einem gewissen Grad "ausgebrannt" von der unerbittlichen Intensität der News-Agenda und zunehmend polarisierten Debatten über Politik, Identität und Kultur. 2022 könne das Jahr sein, "in dem der Journalismus Atem holt, sich auf die Grundlagen fokussiert und stärker zurückkommt". Die Basis für diese Einschätzung bildet die Befragung von 246 Führungskräften aus dem Medienbereich in 52 Ländern.

Führungskräfte zuversichtlich

Fast sechs von zehn befragten Führungskräften (59 Prozent) berichteten demnach von Umsatzsteigerungen im vergangenen Jahr. Bei den Aussichten für das neue Jahr zeigen sich 75 Prozent zuversichtlich, wenn es um das eigenen Unternehmen, und 60 Prozent, wenn es um die Zukunft des Journalismus geht.

Eine Schlüsselherausforderung in diesem Jahr wird es laut dem Reuter Institute sein, jene wieder zu gewinnen, die sich von den Medienabgewandt hätten. Außerdem gelt es die Beziehung mit den regelmäßigeren Nachrichtenkonsumenten zu vertiefen.

Diversität, Klimawandel und Verhaltensregeln

Eine Schlüsselthema bleibe der Generationenwechsel, der in den Newsrooms zu mehr Selbstreflexion in Sachen Diversität und Inklusion sowie bei Themen wie Klimawandel, seelischer Gesundheit sowie Verhaltensregeln für Journalisten in sozialen Medien führen werde.

In Sachen Innovation wollen sich zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten auf die Verbesserung bereits existierender Produkte konzentrieren. Nur ein Drittel (32 Prozent) sieht den Einführung neuer Produkte als Priorität. Mehr Ressourcen wollen die Medienmacher in Podcasts (80 Prozent) und in E-Mail-Newsletter (70 Prozent) investieren. Beide Kanäle hätten sich dabei bewährt, die Loyalität der Nutzer zu steigern, aber auch neue Abonnenten anzuziehen. Weniger Aufmerksamkeit wollen die Medienmacher auf Facebook und Twitter verwenden, während mit Instagram, Tiktok und Youtube andere soziale Medien stärker ins Visier genommen werden sollen, die bei jüngeren Leuten beliebt sind.

Schnellere digitale Transformation

Auf der Geschäftsseite wollen viele traditionelle Nachrichtenorganisationen weiterhin auf eine schnelle digitale Transformation fokussieren, während steigende Druck- und Energiekosten Printausgaben für manche Länder nicht mehr leistbar machen. Laut der Umfrage planen mehr Herausgeber in diesem Jahr, auf Abo- und Mitgliedschaftsmodelle zu setzen. So gaben 79 Prozent an, dass es sich dabei um eine ihrer wichtigsten Umsatzquellen handeln wird, noch vor Display- und Native Advertising.

Online-Inhalte zu vergebühren sei die Endstation für viele, heißt es in der Reuters-Studie. Man müsse aber auch erwarten, dass eine Abo-Müdigkeit den diesbezüglichen Fortschritt hemme, besonders wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtern.

Vertrauenswürdige Marken gefragt

Nach einer Zeit, in der die digitalen Werbeumsätze zu den Plattformgiganten abflossen, gebe es für Herausgeber dieses Jahr die Möglichkeit, bessere Ergebnisse zu erzielen. Strengere Datenschutzbestimmungen und Bedenken über Fehlinformationen hätten bereits dazu geführt, dass das Pendel zu vertrauenswürdigen Marken zurückschwingt. Der Werbemarkt bleibe aber ein kompetitives und herausforderndes Geschäft, in dem nicht alle gedeihen.

Während in der EU strengere Regulierungen für große Tech-Unternehmen ins Haus stehen und manche Länder versuchen, eine noch strengere Kontrolle auszuüben, sorgt die nächste Generation künstlicher Intelligenz laut der Studie bereits für neue Herausforderungen an die Gesellschaft. Zugleich biete sie aber auch neue Möglichkeiten, zu informieren und zu unterhalten. (glicka, 10.1.2022)