Die Quantenphysik zur Beschreibung von Vorgängen auf der atomaren Ebene wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt. Insbesondere die Beschreibung von Messvorgängen scheint unserer alltäglichen Wahrnehmung zu widersprechen und hat deswegen Physiker und interessierte Laien in den Bann gezogen. Einige Vorhersagen galten lange Zeit auch unter den Pionieren der Theorie als reine Gedankenexperimente und damit als nicht direkt nachweisbar. So schrieb Erwin Schrödinger 1952 bezüglich eines möglichen Nachweises von Quantensprüngen mittels einzelner atomarer Teilchen: "Zunächst einmal muss man fairerweise sagen, dass wir nicht mit einzelnen Teilchen experimentieren, genauso wenig wie wir Ichthyosaurier im Zoo züchten können."

Die Dinosaurier aus "Jurassic Park" sind (zum Glück) noch in weiter Ferne, die ersten Experimente mit einzelnen Atomen in Teilchenfallen liegen inzwischen schon mehr als 40 Jahre zurück. Die Atome werden mittels elektrischer Felder in einer sogenannten Paulfalle gespeichert. Diese Experimente müssen unter Hochvakuum durchgeführt werden, da schon eine Kollision mit einem einzelnen Luftmolekül das gefangene Atom stören würde.

Schrödingers Aussage wurde – zum Teil – widerlegt. Experimente mit einzelnen Teilchen sind möglich.
Foto: Mira Schindler

Komplett dunkel

Doch können wir die gefangenen Atome überhaupt sehen? In unserer üblichen Wahrnehmung wird ein Gegenstand durch Reflexion oder Absorption des einfallenden Lichtes sichtbar. Dies ist mit einzelnen Atomen nicht so ohne weiteres möglich, da ihre Fähigkeit, Licht zu absorbieren, gering ist. Wir verwenden hier einen Trick, den die Menschheit schon seit Jahrhunderten verwendet: Analog zu den altbekannten Leuchttürmen lassen wir das Atom Licht ausstrahlen, indem wir gezielt ein Energieniveau anregen, das in den Grundzustand zerfällt und dabei ein Lichtteilchen aussendet. Damit kann man ein einzelnes Atom sogar als sehr dunklen Punkt in einem Mikroskopobjektiv erkennen. Eine Attraktion, die sich der Dalai Lama bei einem Besuch in Österreich nicht entgehen ließ. Der Kommentar seiner Heiligkeit: "It’s completely dark", es ist komplett dunkel.

Paulfalle in der Vakuumkammer.
Foto: Robbie Shone
Mikroskopobjektiv, durch das ein Atom sichtbar gemacht werden kann.
Foto: Robbie Shone

Meilensteine der Wissenschaft

In unseren Experimenten ist das menschliche Auge schon seit Jahrzehnten von empfindlichen und verlässlichen Spezialkameras ersetzt worden. Im Mittelpunkt unserer Forschung steht neben dem Fangen und Beobachten der Teilchen insbesondere die gezielte Manipulation der atomaren Zustände mittels Laserlicht. Hier betreibt die Universität Innsbruck seit Mitte der 90er-Jahre Quantenexperimente mit einzelnen Atomen und liegt mit ihrer Forschung im internationalen Spitzenfeld.

Mithilfe von Paulfallen sind einige Meilensteine der Quantenphysik realisiert worden. Von der Beobachtung der ersten Quantensprünge über die erste Verschränkung zweier Atome bis hin zur Teleportation. Hier sollte erwähnt werden, dass die Quantenphysik einige konzeptionelle und sprachliche Verwirrungen mit sich bringt: So hat die Teleportation nichts mit dem aus "Star Trek" bekannten Verfahren zu tun, Materie zu transportieren, sondern es geht hier um die Übertragung von Quanteninformation zwischen zwei Atomen.

Diese Experimente bilden die Grundlage für zukünftige Quantentechnologien, die gezielt Quanteneffekte ausnutzen sollen. Eine zentrale Säule dieser Technologien sind Quantencomputer, die eine völlig neue Art der Informationsverarbeitung ermöglichen. Die Algorithmen, die ein solcher Quantencomputer ausführen kann, übersteigen die Leistungsfähigkeit aller Programme, die auf herkömmlichen Computern denkbar sind. Es wird angenommen, dass ein Quantencomputer mit einigen Hundert Atomen schon Probleme lösen kann, die für jeden Supercomputer unerreichbar sind.

Eine Kette aus gefangenen Atomen, die ein Quantenregister in einem Quantencomputer bildet.
Foto: Aqtion Kooperation (aqtion.eu)

Quantencomputer: noch keine Revolution, aber vielversprechende Zukunft

Der Ausblick auf noch leistungsfähigere Computer ist natürlich sehr verlockend, da neuere Prozessorgenerationen schon seit einiger Zeit keine wesentlichen Leistungssteigerungen mehr bringen. In den letzten Jahren haben daher praktisch alle Giganten der EDV-Industrie mit der Entwicklung von Quantencomputern begonnen. Wobei hier Pressemeldungen und Realität oft recht weit auseinanderliegen: Es gibt noch relativ wenig echte Anwendungen für einen funktionierenden Quantencomputer, und die existierenden Prototypen sind bei weitem noch nicht ausgereift. Es könnte also etwas verfrüht sein, eine neue Revolution auszurufen, aber das Forschungsfeld ist noch jung und birgt sicherlich noch einige Überraschungen. Einen Vorteil bringt die Beteiligung dieser Firmen: Heute können zum Beispiel schon Quantencomputer von IBM kostenlos getestet werden. Weiters sind die meisten Programmiersprachen für Quantencomputer frei verfügbar und bieten eine solide Basis, um die Funktionsweise und Programmierung eines Quantencomputers anhand von Beispielen zu lernen.

Die Entwicklungen, die Quantentechnologien in den letzten Jahren hervorgebracht haben, ermöglichen es, diese Quanteneffekte auch abseits von Quantencomputern zu nutzen. So können zum Beispiel Sensoren, die auf Quantensystemen basieren, Messungen mit höherer Genauigkeit durchführen. In einem neuen Forschungsprojekt wollen wir die entwickelten Quantentechnologien verwenden, um die Rolle von Quanteneffekten in Molekülen zu untersuchen, die bisher nicht kontrollierbar waren. Dazu werden die Moleküle an die Atome eines kleinen Quantencomputers gekoppelt. (Philipp Schindler, 12.1.2022)