Bisher hat Laura Sachslehner in ihrem neuen Büro nur ein paar "Ikea-Bilder" aufgehängt, wie sie erzählt. Zuerst wollte sie etwas mit floralem Muster anschaffen, das erschien ihr dann doch zu mädchenhaft. Also sind es abstrakte Landschaften in Blautönen geworden. Sachslehner wurde vor allem über ihren Social-Media-Auftritt bekannt. Dass Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer die 27-Jährige zur Generalsekretärin der Partei gemacht hat, hat viele überrascht. Auch sie selbst.

STANDARD: Wofür steht die ÖVP nun in der Post-Kurz-Ära?

Sachslehner: Die Politik der ÖVP trägt eine christlich-soziale Handschrift. Wir haben seit 2017 ein klares Profil entwickelt. Ein Fokus lag auf der Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen – zum Beispiel mit dem Familienbonus, der Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer oder der Erhöhung von kleineren Pensionen. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft konsequent weitergehen.

STANDARD: In ÖVP-Chats, die gerade wieder öffentlich wurden, wird eine andere Zielgruppe genannt: Die Volkspartei sei "die Hure der Reichen".

Sachslehner: Die Chats, die Sie da ansprechen, sind zum Teil unterirdisch. Man darf aber von einzelnen Chats nicht auf die gesamte Volkspartei schließen.

STANDARD: Sind Vermögende keine Zielgruppe der ÖVP?

Sachslehner: Dass die Volkspartei Politik für die gesamte Bevölkerung macht, ist ohnehin klar. Der Fokus liegt auf der breiten Mitte.

Sachslehner ist studierte Kommunikationswissenschafterin. Zur ÖVP fand sie 2014 über die Junge Volkspartei.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Wie wollen Sie die Partei weiterentwickeln?

Sachslehner: Grundsätzlich ist es meine Aufgabe, alles zu tun, was die Schlagkraft der Volkspartei ausbaut. Mir geht es da vor allem um die Stärkung unserer Kampagnenfähigkeit. Wir haben in vergangenen Wahlkämpfen bewiesen, dass wir große Wahlerfolge einfahren können. Darauf bauen wir auf.

STANDARD: Wäre die ÖVP jetzt in der Lage, in einen Wahlkampf zu ziehen?

Sachslehner: Natürlich, denn das Ziel einer Partei muss es sein, jederzeit kampagnenfähig zu sein. Damit meine ich nicht nur Wahlkämpfe, auch Dinge wie einen Parteitag. Oder dass man die Bevölkerung über Initiativen informiert. Wir stehen aber klar zum Regierungsübereinkommen. Neuwahlen sind derzeit kein Thema.

STANDARD: Wo wollen Sie inhaltlich Schwerpunkte setzen?

Sachslehner: Da könnte ich jetzt lange ausschweifen. Was uns einerseits ausmacht, ist, dass wir ganz klar die Leistungsträger in diesem Land in den Vordergrund stellen. Jeder, der etwas leistet, soll auch etwas davon haben. Mir persönlich ist aber auch der Sozialstaat ein großes Anliegen, auf den sich die Schwächsten im Fall der Fälle verlassen können. Außerdem möchte ich alle meine Kollegen der anderen im Parlament vertretenen Parteien zu einem Gespräch einladen, um darüber zu sprechen, wie wir die entstandenen Gräben in der Gesellschaft überwinden können.

STANDARD: Im Oktober fanden in der ÖVP-Zentrale Hausdurchsuchungen statt. Werden Sie in der Partei eine interne Prüfung einleiten?

Sachslehner: Alle Vorwürfe, die im Raum stehen, sollen natürlich aufgeklärt werden. Für uns ist klar, dass wir daran mitarbeiten.

Foto: Christian Fischer

STANDARD: Also keine interne Prüfung wie im Finanzministerium?

Sachslehner: Damit sind jetzt die Institutionen befasst, deren Aufgabe das auch ist.

STANDARD: Die ÖVP hat als Partei einen Beschuldigtenstatus. Aber selbst wollen Sie sich das nicht anschauen?

Sachslehner: Natürlich ist ein Beschuldigtenstatus nichts Angenehmes. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich die Vorwürfe bald aufklären. Ich möchte schon auch festhalten, dass wir in einem Rechtsstaat leben und die Unschuldsvermutung gilt, auch für uns als Volkspartei.

STANDARD: Bezeichnen Sie sich eigentlich als Feministin?

Sachslehner: Ich halte nichts von Schubladisierungen. Wir haben so lange dafür gekämpft, dass Frauen nicht mehr in Schubladen gesteckt werden und jetzt fangen wir erst recht wieder damit an. Aber wenn es darum geht, ob ich mich für Gleichberechtigung oder Frauenrechte einsetze, dann: ja, natürlich.

STANDARD: Wie würden Sie sich politisch beschreiben?

Sachslehner: Ich würde mich als eine durchaus liberale und christlich-soziale Person bezeichnen.

STANDARD: Kurze Richtungsfrage: Wenn sich ein Sternsinger das Gesicht schwarz anmalt, ist das in Ihren Augen Blackfacing oder Tradition?

Sachslehner: Ich will aus der Frage kein Politikum machen. Das sind Kinder und Jugendliche, die einer Tradition nachgehen.

STANDARD: Stichwort Klimapolitik: Die Baustelle der Wiener Stadtstraße wird besetzt. Der umstrittene Lobautunnel ist von der grünen Umweltministerin gestoppt worden. Haben Sie als junge Frau Verständnis für diese Weichenstellung der Grünen?

Sachslehner: Ich finde zwar, dass Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtige Themen sind und Priorität haben sollten. Aber im Fall des Lobautunnels ist es nun einmal so, dass es eine Alternative für Anrainer braucht. Das Verkehrsproblem löst sich nicht von selbst.

STANDARD: Sie halten die Position der Grünen also für falsch?

Sachslehner: Ich halte es für notwendig, dass es zu einer Alternative für den Lobautunnel kommt. Ich will Klimaschutz nicht die Wichtigkeit absprechen, aber es gibt nun einmal so etwas wie Fakten, wie die tatsächliche Lebensrealität von Menschen aussieht.

STANDARD: Sie sind auch Wiener Gemeinderatsabgeordnete. Viele sagen derzeit, der rote Bürgermeister manage die Pandemie in der Hauptstadt durchaus gut. Sehen Sie das auch so?

Sachslehner: In der Pandemie ist es unerlässlich, dass Bund, Länder und Gemeinden eng zusammenarbeiten. Das funktioniert auch gut mit Wien. Da darf es keinen Platz für parteipolitisches Geplänkel geben.

"Das Ziel einer Partei muss es sein, jederzeit kampagnenfähig zu sein", sagt Sachslehner.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Ich frage, weil Sie bis vor kurzem selten ein gutes Wort für das rote Wien übrighatten.

Sachslehner: Ich nehme mir selten ein Blatt vor den Mund, das stimmt.

STANDARD: In Wien wurden Sie auch durch Ihren Kampf gegen Graffiti bekannt. Geben Sie den jetzt auf?

Sachslehner: Das Themenspektrum einer Landtagsabgeordneten ist natürlich ein anderes als das einer Generalsekretärin. Sachbeschädigungen verurteile ich aber nach wie vor.

STANDARD: Vor zwei Jahren hatte Kanzler Karl Nehammer Ihren Job. Was haben Sie noch vor in der Politik?

Sachslehner: Es war eine durchaus mutige Entscheidung des Parteiobmannes, eine junge Frau zu fragen, ob sie diese Aufgabe übernimmt. Ich komme selbst aus der Kommunalpolitik und bin es gewöhnt, harte Bretter zu bohren. Ich bin mit meiner neuen Funktion gut beschäftigt. (Katharina Mittelstaedt, 11.1.2022)