2007, nach dem Ende seiner Politikerkarriere, dockte Karl-Heinz Grasser bei Meinl an. Das Finanzstrafverfahren gegen ihn wird im ersten Halbjahr 2022 beginnen.

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100 Euro Kirchensteuer spielen in der Steuerstrafsache, in der Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sein Exberater H. angeklagt sind, eine wichtige Rolle. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Grasser wie berichtet vor, im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit rund um Meinl International Power (MIP), rund vier Millionen Euro an Vertriebsprovision aus dem Jahr 2007 nicht versteuert zu haben. H. soll die Idee für das komplexe "steuereffiziente" Privatstiftungs- und Firmenkonstrukt dahinter gehabt haben, das laut WKStA der Verschleierung gedient habe. Grasser und H. bestreiten die Vorwürfe und es gilt die Unschuldsvermutung. Im Kern geht es um die Frage, ob diese Provision Grasser persönlich zuzurechnen und daher auch von ihm zu versteuern ist. Diese Rechtsansicht vertritt die WKStA im Gegensatz zu Grasser und seiner Verteidigung.

Der dahinterstehende Vertrag mit H. und die gemeinsamen Besprechungen wurden laut Anklageschrift höchst diskret behandelt – die geplante Stiftungsstruktur wurde demnach sogar vor jenem Steuerberater geheim gehalten, der Grasser persönlich vertrat und dessen Einkommenssteuererklärung für 2007 erstellte. Das geschah 2009 – und damals poppten in der Öffentlichkeit auch erste Berichte über Grassers durch die Katarakte der diversen involvierten Stiftungen und Offshore-Gesellschaften geleiteten Meinl-Einkünfte (in Summe rund neun Millionen Euro) auf.

Nervös nach Meinls Verhaftung

Wie es (neben Vorabgewinn bzw. Dividenden für Grasser) zur Vertriebsprovision kam, das schilderte im Ermittlungsverfahren Julius Meinl V. als Zeuge. Der habe ihn, als sich die erfolgreiche Umsetzung des Börsengangs der MIP abzeichnete, gefragt, "ob er für die Kunden, die er bringt, etwas haben kann"; gemeint waren Provisionen für die Vermittlung von Wertpapierumsätzen, so die WKStA. Die zuständigen Organe hätten zugestimmt – Ende August 2007 überwies die Meinl Bank Antigua die rund 4,38 Mio. Euro unter diesem Titel.

Anfang 2009 beauftrage Grasser seinen persönlichen Steuerberater mit der Einkommenssteuererklärung (ohne die genannten Meinl-Einkünfte), am 3. April brachte der Berater die bei der Finanz ein. In der Zwischenzeit, am 1. April, war allerdings Aufsehenerregendes geschehen: Julius Meinl V. war im Zusammenhang mit der Causa Meinl European Land in U-Haft genommen worden. Grasser fürchtete nun laut Aussage, seines Ex-Beraters H., dass seine Stiftungskonstruktion aufgedeckt werden könnte und habe Angst gehabt vor Fragen der Finanz nach der Versteuerung vor allem seiner Vertriebsprovision. Selbstanzeige habe er bei der Finanz aber nicht erstatten wollen.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass H. und Grasser sich gegenseitig belasten; Grasser sagt, er habe sich voll auf H. verlassen, H. sagt, der Ex-Minister habe das Konstrukt eigenmächtig verändert. Am 1. April besprachen sich Grasser und H. jedenfalls und kamen laut Anklage zum Schluss, die Vertriebsprovision nicht in der Einkommenssteuererklärung offenzulegen.

7.650 Euro Einkommenssteuer für 2007

Am 6. April erließ das Finanzamt den Einkommenssteuerbescheid: Die Finanz ging von einem Jahreseinkommen Grassers von 29.524,35 Euro aus und setzte die Steuer mit rund 7.650 Euro fest. Steuermindernd berücksichtig: 100 Euro Kirchenbeitrag.

Am 14. April geschah wieder Aufsehenerregendes: Bei der Staatsanwaltschaft ging eine anonyme Anzeige gegen Grasser rund um dessen Meinl-Engagement ein, unter anderem wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Steuerhinterziehung. Tags darauf und einen Tag vor einem Bericht im Magazin "News" dazu beriet sich Grasser mit H. – und äußerte nun laut doch den Wunsch, Stiftung und Gesellschaften der Finanz offenzulegen.

Und hier kommt laut WKStA wieder der Kirchenbeitrag ins Spiel. H. nahm nämlich (erstmals) Kontakt zu Grassers persönlichem Steuerberater auf, erfragte die diversen Positionen des Einkommenssteuerbescheids – und da habe sich Grasser eingebracht: Anders als angegeben, habe er für 2007 gar keinen Kirchenbeitrag bezahlt. In der Folge hat Grasser laut Anklageschrift Berufung gegen den Einkommenssteuerbescheid eingelegt– was laut WKStA "den Vorteil hatte, dass der (Bescheid, Anm.) nicht rechtskräftig wurde und so die Vollendung der Abgabenhinterziehung hinausgezögert werden konnte". Und: So hätten Grasser und H. Zeit gewonnen, die weiteren Schritte zu planen – vor allem die vollumfängliche Offenlegung der Vertriebsprovision.

Auch Ex-WKStA-Juristin verteidigt Grasser

Wie der Strafrichter all das sehen wird, wird sich zeigen; die Involvierten gehen davon aus, dass die Verhandlung nicht lang dauern wird, da ausschließlich eine Rechtsfrage (eben die persönliche steuerliche Zurechenbarkeit der Vertriebsprovision) zu klären ist.

Auf Seiten von Grasser wird übrigens neben Manfred Ainedter auch Linda Poppenwimmer dienen, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch selbst in der WKStA gearbeitet hat und anlässlich ihres Wechsels in die Kanzlei Ainedter & Ainedter wenig Freundliches über die Justiz zu sagen wusste,. Sie könne der "nicht mehr dienen" , wie sie Ende November wissen ließ. Poppenwimmer sei eine "absolute Expertin für Finanzstrafsachen", erklärt Ainedter, der sicher ist, dass man die Vorwürfe gegen seinen Mandanten entkräften kann. (Renate Graber, 11.1.2022)