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Ringier-Chef Marc Walder lieferte den Verschwörungstheoretikern und Medienförderungskritikern Munition.

Foto: Reuters/ARND WIEGMANN

Die staatliche Medienförderung steht auch in der Schweiz zur Debatte. Am 13. Februar entscheidet das Volk über ein 150-Millionen-Franken-Paket (144 Millionen Euro) für Zeitungen und Online-Medien. Mittendrin im Abstimmungskampf: ein peinliches Video mit Marc Walder, dem Chef des Medienkonzerns Ringier.

Walder hatte im Februar 2021 bei einem Managerevent zum Thema Corona-Pandemie gesagt: "Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen." Die Aussage des Ringier-Chefs, der unter anderem das Boulevard-Blatt Blick herausgibt und auch in mehreren osteuropäischen Ländern tätig ist, blieb unbemerkt bis Silvester – als es von der rechtskonservativen Meinungsplattform Nebelspalter publiziert wurde. Im Abstimmungskampf um das Medienförderungspaket wurde die ungeschickte Äußerung prompt als Beleg für die Staatsnähe der Ringier-Medien und überhaupt der großen Medienkonzerne gelesen.

Munition für Verschwörungen

"Journalismus hat grundsätzlich stets aus einer kritischen Position heraus zu erfolgen, und zwar gegenüber allen Seiten und in jeglichen Situationen – sonst braucht es ihn gar nicht mehr", schrieb etwa das Bieler Tagblatt. "In der Ausnahmesituation der Pandemie sehen sich jene bestätigt, die dem Verschwörungsnarrativ Glauben schenken, wonach Regierungen und Medienhäuser ohnehin unter einer Decke steckten, um die Menschen mit Propaganda abzufüllen."

Die Enthüllung im Nebelspalter erfolgte ausgerechnet durch einen Journalisten, der auch im Abstimmungskomitee gegen die Medienförderung amtiert. Kaum ein Zufall, wurde doch der Nebelspalter, der früher ein unabhängiges Satiremagazin war, im letzten Jahr von einer Gruppe anonymer Investoren rund um den ehemaligen Privatbankier und Neuen Zürcher Zeitung-Aufsichtsratsvorsitzenden Konrad Hummler aufgekauft und zu einer rechtskonservativen Meinungsplattform umgepolt. Zusammen mit der Weltwoche, die dem SVP-Abgeordneten Roger Köppel gehört, und der Neuen Zürcher Zeitung bildet der Nebelspalter die publizistische Speerspitze der Gegner der staatlichen Medienförderung.

"Kein Steuergeld an Millionäre, Milliardäre und Aktionäre!", lautet deren Slogan. Auch große und finanziell gut gestellte Unternehmen, die das Geld gar nicht nötig hätten, würden von der Medienförderung profitieren. Und die staatliche Unterstützung mache die Medien gefügig, eine kritische Berichterstattung sei in Gefahr, siehe Ringier und Walder.

Dabei ergab eine Untersuchung der Uni Zürich, dass das Ringier-Blatt Blick ähnlich regierungskritisch berichtete wie andere Medien auch. Hinzu kommt, dass Ringier entgegen der Behauptung der Gegner nur wenig von dem Medienpaket profitieren würde. Denn Ringier betreibt kaum förderberechtigte Abonnementszeitungen und Medien.

Zeitungen für Randregionen

Das vom Bundesrat und dem Parlament vorgelegte, politisch breit abgestützte Medienförderungspaket will die Zustellung der Abo-Zeitungen durch die Post oder durch private Frühzusteller noch stärker als bisher verbilligen, sodass die Zeitungen künftig nicht nur in den Agglomerationen, sondern auch in den Randregionen und auf dem Land bereits frühmorgens im Briefkasten liegen. Private Radio- und Fernsehstationen sollen mehr Geld bekommen, neu soll es auch Unterstützung für Online-Medien geben sowie für den Presserat, die Nachrichtenagentur Keystone-SDA und die Ausbildung der Journalisten.

"Ohne Medien keine Demokratie" heißt es aufseiten der Befürworter. "Egal wie klein – jede Schweizer Region verdient eigene, kritische und unabhängige Medien. Das stärkt unseren Föderalismus", sagt Andrea Fopp, die Chefredakteurin des Basler Online-Portals Bajour. In erster Linie würde das Geld an kleine und mittlere, regional verankerte Medienhäuser gehen, und das sei wichtig für die Pressevielfalt und die Demokratie. Weil drei Viertel der Werbeeinnahmen der Medienhäuser seit der Jahrhundertwende weggebrochen seien, brauchten diese eben staatliche Unterstützung.

Neue Plattformen entstehen

Da in der Schweiz mittlerweile auch die großen Medienhäuser unter Spardruck sind, versuchen neue, unabhängige Online-Lokalmedien wie Bajour in Basel, tsüri.ch in Zürich oder Zentralplus in Luzern in die Bresche zu springen und mehr publizistische Vielfalt zu ermöglichen. Auch in Bern, wo der Tamedia-Konzern kürzlich seine beiden regionalen Tageszeitungen zusammengelegt hat, formiert sich das neue Portal Die Hauptstadt. Sie alle könnten von der vorgesehenen Förderung der Online-Medien profitieren.

Doch ob es tatsächlich so weit kommt, ist ungewiss. Die erste SRG-Umfrage vom 6. Jänner ergab gleich viele Ja- wie Nein-Stimmabsichten. (Klaus Bonanomi aus Bern, 11.1.2022)