Die Fluten im Sommer waren die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Allein in Deutschland entstanden Schäden in der Höhe von 33 Milliarden Euro.

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München – Das Jahr 2021 reiht sich nach einer Analyse der Munich Re (Münchener Rück) in den besorgniserregenden Langfristtrend zunehmender Zerstörungen durch Naturkatastrophen ein. Weltweit richteten Stürme, Hochwasser und andere Naturgefahren im vergangenen Jahr Schäden von 280 Milliarden US-Dollar (248 Milliarden Euro) an, wie der Rückversicherer am Montag mitteilte. Versichert war davon laut Munich Re mit 120 Milliarden Dollar weniger als die Hälfte.

Für Europa waren die verheerenden Sturzfluten des vergangenen Sommers in Deutschland und seinen Nachbarländern mit 54 Milliarden Dollar beziehungsweise 46 Milliarden Euro, davon allein 33 Milliarden Euro in Deutschland, zwar die bisher teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Doch noch ungleich härter getroffen wurden die USA, wo Tornados, Hurrikans und eine Kältewelle mit 145 Milliarden Dollar zu Buche schlugen. 10.000 Menschen kamen dabei weltweit im Vorjahr ums Leben, ähnlich viele wie 2020. Die Überschwemmungen im Westen Deutschlands und in angrenzenden Regionen kosteten mehr als 220 Menschen das Leben.

2021 auf Platz vier

In der inflationsbereinigten Rangliste der teuersten Naturkatastrophenjahre liegt 2021 nach Rechnung der Munich Re auf Platz vier. Bisher teuerstes Jahr war 2011, als Seebeben, Tsunami und das folgende Atomunglück in Japan die weltweite volkswirtschaftliche Schadensumme auf 355 Milliarden Dollar getrieben hatten.

Europa muss sich im Klimawandel nach Erkenntnissen der Münchener Rück auf mehr und teurere Naturkatastrophen einstellen. Das Tief "Bernd" mit tagelangen Regenfällen war im vergangenen Jahr das zweitteuerste Naturereignis weltweit. "Der Klimawandel hat solche Ereignisse wahrscheinlicher gemacht", stellt Ernst Rauch, der Chef-Klimaforscher der Münchener Rück, im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters fest. "Es wird eine Generationenaufgabe, unser Land wetterfest zu machen."

Hurrikans verursachen Megaschäden

Mehr Schaden richtete im vergangenen Jahr nur der Hurrikan "Ida" an, der Ende August über den Süden und Osten der USA hinwegzog und eine Schneise der Verwüstung hinterließ. Von den 65 Milliarden Dollar Gesamtschaden mussten die Versicherer 36 Milliarden Dollar zahlen. In den USA ist ein weit größerer Teil der Häuser, Fabriken, aber auch der öffentlichen Infrastruktur wie Straßen und Brücken gegen Naturereignisse versichert als etwa in Deutschland. Daher entfällt auf das Land mit 145 Milliarden Dollar gut die Hälfte des volkswirtschaftlichen Schadens, mit 85 Milliarden aber gut zwei Drittel der versicherten Schäden.

"Bernd" kostet die Branche nach Berechnungen der Münchener Rück 11 Milliarden Euro, davon 8,2 Milliarden in Deutschland. Das ist knapp ein Viertel des Gesamtschadens. Die Sturzfluten etwa an Ahr und Erft hatten im Juli ganze Dörfer überschwemmt. "Dass auf so engem Raum ein so großer Schaden entstehen konnte, hat viele überrascht", sagt Rauch. Das sei eine neue Dimension: Der versicherte Schaden liege beim Vierfachen dessen, was die größten Überschwemmungsunwetter in Deutschland je angerichtet hätten. "Das sind Erfahrungen, die für die Versicherungswirtschaft prägend sein werden", sagt der Klima-Experte.

Einfluss des Klimawandels

Der Einfluss des Klimawandels sei nicht von der Hand zu weisen. Die warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aus den Meeren aufnehmen, damit werden starke Niederschläge wahrscheinlicher. Und weil sich mit den Temperaturunterschieden auch Luftströme verändern, bleiben Hochs und Tiefs länger an einem Ort. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt das Ziel einer Erwärmung von maximal 1,5 Grad verfehle, steige Monat für Monat, sagt Rauch. "Es wird immer klarer, dass wir uns dem Klimawandel anpassen müssen" – auch mit Blick auf künftige Generationen. "Das geht vom Verbot, zerstörte Gebäude in Risikozonen wieder aufzubauen, bis zur Renaturierung von Flüssen."

Die Sicherheitspuffer bei Schutzmaßnahmen müssten größer werden. "Hochwasserschutz ist in Deutschland meist auf ein 100-jähriges Hochwasser ausgelegt." Die Niederlande erhöhten ihre Deiche bereits für Fluten, wie man sie bisher nur alle 10.000 Jahre erwartet habe, erklärt Rauch. Dass sich Schutzmaßnahmen lohnten, zeige der Hurrikan "Ida". Als er auf das amerikanische Festland traf, war er sogar stärker als 2005 der Wirbelsturm "Katrina", der New Orleans verwüstet hatte. Dennoch richtete "Ida" nur halb so große Schäden an wie "Katrina", weil die verstärkten Deiche rund um die Stadt hielten. (APA, 10.1.2022)