Die Lockdowns hinterließen Spuren in Tourismus, Gastronomie und Handel. Damit fielen auch Einkommen.

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Es war das Mantra der Regierung in den ersten Pandemiemonaten. "Österreich ist bisher besser durch die Krise gekommen als andere Länder", sagte Ex-Kanzler Sebastian Kurz im April 2020, als gerade die erste Corona-Welle vorbei war. Viele Minister setzten auf eine ähnliche Wortwahl.

Heute, weitere Wellen und Lockdowns später, ist von diesem Triumphalismus wenig übrig. Das neue Wording ist vorsichtiger: "Österreich ist bisher recht gut durch die Krise gekommen", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck etwa im Dezember im Parlament. Aber halten diese Aussagen einer Überprüfung stand?

Das Wirtschaftsmagazin Economist hat in seiner Ausgabe nach dem Jahreswechsel ein Ranking dazu präsentiert, wie gut die wohlhabenden Länder der Welt bisher durch die Pandemie gekommen sind. In Österreich dürften die Zahlen für Ernüchterung gesorgt haben. 23 Länder wurden analysiert und bewertet, Österreich landete im Schlussfeld auf Rang 19. Von wegen gut durch die Krise gekommen also. Schwacher Trost: Der wichtigste Wirtschaftspartner, die Bundesrepublik Deutschland, schaffte nur Platz 20. Ganz vorne liegt Dänemark, auf Rang drei schaffte es Schweden, das für seinen Alleingang zu Beginn der Pandemie ohne Lockdown kritisiert wurde. Aber auch Italien, Griechenland, Ungarn oder Polen landeten im Ranking zur Wirtschaftsentwicklung weit vor Österreich. Wie kam es dazu?

Der Economist hat die 23 Staaten in fünf Kategorien bewertet: Neben dem Wirtschaftswachstum wurden auch die Entwicklung der Haushaltseinkommen berücksichtigt, die Performance des Aktienmarktes, Investitionen und die Entwicklung der Staatsverschuldung. Ausgewertet wurde die Veränderung zwischen dem vierten Quartal 2019 und dem dritten Quartal 2021 oder jüngst verfügbaren Daten.

Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass Österreich in fast allen Kategorien unauffällig abgeschnitten hat. Die Wirtschaftsentwicklung war nicht gut so wie in Irland, Norwegen, Dänemark oder Schweden. Aber auch nicht so schlecht wie in Spanien oder dem Vereinigten Königreich. Die Verschuldung, gemessen an der Wirtschaftsleistung, ist in Österreich etwas stärker angestiegen als im Durchschnitt der ausgewerteten Länder. Aber auch hier gibt es mehrere Staaten mit einer schlechteren Performance, etwa die USA oder Griechenland. All das würde eher für ein Ranking im Mittelfeld sprechen. Warum also Rang 19?

Wo Österreich schlecht abgeschnitten hat, ist bei den verfügbaren Pro-Kopf-Haushaltseinkommen. Diese sanken inflationsbereinigt um 5,8 Prozent. In den 23 Ländern war die Entwicklung nur in einem Staat, in Spanien, mit einem Einbruch von 6,3 Prozent schlechter.

Diese Zahlen sind eine Überraschung. Von einem so starken Einbruch der Einkommen war in Österreich bisher nicht die Rede. Laut einer im Oktober präsentierten Analyse der Nationalbank gingen die verfügbaren Einkommen 2020 im Schnitt nur um 0,7 Prozent zurück. Das Forschungsinstitut Wifo rechnet mit minus zwei Prozent im vergangenen Jahr und einem weiteren sehr leichten Rückgang für 2021. Staatliche Hilfsleistungen für Haushalte wie Zuschüsse für Familien haben Schlimmeres verhindert. Sind die Zahlen aus dem Economist also falsch?

Nein. Die Quelle ist die Industriestaatenorganisation OECD. Dort findet sich tatsächlich ein Vergleich zu inflationsbereinigten Einkommen der Haushalte. Neben gezahlten Löhnen werden hier auch Sozialtransfers berücksichtigt. Die neuesten Zahlen reichen bis zum zweiten Quartal 2021. Österreich schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab. Dabei hinkt schon Europa den USA hinterher: Hier sind die Einkommen in der Pandemie um sechs Prozent gestiegen. Das lag laut Ökonomen an den Staatshilfen für Bürger, etwa an den 600-Dollar-Zuschüssen, die Arbeitslosen jede Woche gezahlt wurden.

Aber woher hat die OECD diese Zahlen, die in Österreich bisher keine Beachtung fanden? Sie stammen von der Statistik Austria. Der zuständige Experte Karl Schwarz erklärt: Die Einkommensentwicklung im ersten Halbjahr 2021 sei in Österreich vor allem wegen der Lockdowns, bundesweit und dann in der Ostregion, schwach gewesen. Das wirkte sich auf Löhne und auf Einkommen der Selbstständigen aus.

Die Arbeitslosigkeit war im ersten Halbjahr hoch, viele Menschen waren in Kurzarbeit. Die Corona-Beschränkungen waren in Österreich im internationalen Vergleich streng.

Im dritten Quartal 2021 setzte eine Erholung bei der Einkommensentwicklung ein, so Schwarz. Diese Daten wurden aber erst soeben veröffentlicht und noch nicht bei der OECD verarbeitet. Wie sich das Gesamtjahr 2021 entwickelt hat – im November/Dezember gab es wieder einen Lockdown –, bleibt abzuwarten. Bilanziert wird erst am Schluss. (András Szigetvari, 11.1.2022)