Familientragödie", "eskalierter Beziehungsstreit", "Bluttat". So wurde darüber berichtet, was am Samstagnachmittag passiert ist: Einer Frau wurde, am Küchentisch sitzend, in den Hinterkopf geschossen. Ihr Mann gestand die Tat und damit den ersten Femizid in diesem Jahr.

Der Begriff Femizid benennt die starke geschlechterspezifische Dimension bei tödlicher Gewalt gegen Frauen. Das ist wichtig, um zu wissen, womit wir es strukturell zu tun haben. Es aber auch wichtig zu wissen, was wir nicht wissen. Medien können kurz nach der Tat nicht von Mord schreiben, denn über den genauen Straftatbestand, ob Vorsatz bestand, müssen Gerichte entscheiden. Das ist ihnen meist klar.

Eine Protestaktion von Frauenrechtsorganisationen gegen Gewalt an Frauen im Mai 2021 in Wien.
Foto: APA/ANGELIKA KREINER

Viele Medien sind sich bis heute allerdings nicht im Klaren darüber, dass sie mit diffusen Formulierungen Gewalt an Frauen verharmlosen, indem sie Spekulationen anheizen – dass sie wohl auch ihren Anteil hatte, dass sie ihn "rasend" gemacht hätte. Ein User schrieb auf Twitter zum aktuellen Fall, er wolle bitte schon wissen, was vorher passiert sei. Was soll passiert sein, bevor jemand seiner Partnerin in den Hinterkopf schießt?

Kommentare wie diese zeigen, dass es für manche noch immer – fernab von Notwehr – "verständliche" Gründe dafür gibt, eine Frau zu töten. Jede nebulöse Berichterstattung über "Streit", "Seitensprung" oder eine "schwierige Beziehung" befeuert eine Täter-Opfer-Umkehr. Dessen müssen sich Journalistinnen und Journalisten endlich bewusst werden. (Beate Hausbichler, 11.1.2022)