Wer eins und eins zusammenzählt, wird sich nicht wundern, dass Mathematik die größten Schwierigkeiten bereitet. Wer bei dieser Rechnung Probleme hat, wundert sich vermutlich auch nicht.

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Wien – Gerade einmal elf Tage zählt das neue Kalenderjahr, und schon wieder purzelt in der heimischen Start-up-Szene nach dem Höhenflug 2021 ein Rekord: Mit 300 Millionen Euro holt sich die Online-Nachhilfeplattform Go Student das höchste Investment, das ein österreichisches Start-up je bekommen hat. Die Firmenbewertung steht somit bei drei Milliarden Euro. Es geht zügig dahin bei den Wienern, denn im Vorjahr sammelten sie in zwei Runden bereits 275 Millionen Euro ein. DER STANDARD hat berichtet.

Angeführt wird dieses Series-D-Funding von dem neuen Investor Probus aus den Niederlanden. Daneben ziehen unter anderen die Deutsche Telekom, der japanische Venture-Capital-Riese Softbank und der chinesische Internetgigant Tencent mit. Insgesamt hat Go Student, das nach Bitpanda als zweites Start-up in Österreich den Unicorn-Status erreichte, seit der Gründung im Jahr 2016 mehr als 590 Millionen Euro Risikokapital aufgenommen. Laut Firmenbuch halten bereits jetzt den Großteil der Firmenanteile die etwaigen Finanziers.

Täglich grüßt das Matheproblem

Wo hapert es am meisten? Man kann es sich eigentlich ausrechnen. Mathematik ist und bleibt das Hauptproblemfeld der Schülerinnen und Schüler. Und das überall. Bei Go Student glaubt kaum jemand, dass sich das je ändern wird. Ebenfalls aufs Stockerl der Schwierigkeiten schaffen es die erste Fremdsprache sowie die Muttersprache. Die Zahl der monatlich gebuchten Nachhilfestunden hat sich laut der Firma verzehnfacht: Während es im vergangenen Jänner noch 150.000 gebuchte Nachhilfestunden pro Monat waren, wurde Ende des Jahres 2021 bereits die 1,5-Millionen-Marke überschritten.

Einem Online-Nachhilfeportal spielt die Pandemie in die Karten – zum Teil stimmt das auch. Einerseits sei das Interesse der Investoren, der Eltern und Schüler massiv gestiegen, andererseits brach jedes Mal die Nachfrage ein, wenn Maßnahmen strenger wurden: "In geschlossenen Schulen sinkt der Druck und somit der Nachhilfebedarf." Kunden zu gewinnen sei dann deutlich teurer.

Das Geschäft basiert auf einem Abomodell, Nachhilfestunden lassen sich für sechs Monate, ein oder zwei Jahre buchen. Die Stunde kostet zwischen 19,20 und 29,60 Euro – je nach Art und Menge. Das entspricht einem Anstieg von rund drei Euro pro Stunde seit vergangenem Sommer.

Firmenübernahmen

Dass nach nur sieben Monate schon wieder so viel Geld hereinfließt, war zwar nicht geplant, aber auch kein gänzlicher Zufall: "Wir sind sehr schnell gewachsen und stehen mittlerweile permanent im Austausch mit potenziellen Geldgebern. Der Markt gibt diesen Schritt her, deswegen versuchen wir, noch stärker zu wachsen", sagt Go-Student-Gründer Gregor Müller zum STANDARD. Drei Ziele verfolge man mit dem neuen Geld: den Marktanteil in bestehenden Märkten ausbauen, eine Expansion in neue Regionen wie die USA oder Mena (Mittlerer Osten und Nordafrika) sowie weitere Fusionen und Firmenübernahmen. Der Zeitpunkt passe.

Im Herbst übernahm Go Student das Wiener Start-up Fox Education, die Firma hinter der bekannten App Schoolfox. Müller zufolge hat man bereits ein paar Unternehmen "unter der Lupe", Details verrät er noch keine. "Es gibt viele Start-ups mit spannenden Produkten, die an der Skalierung beziehungsweise der Internationalisierung scheitern. Es bietet sich an, mit diesen zu fusionieren oder sie zu übernehmen. Da haben beide etwas davon." Außerdem sei das Grundprodukt – die Einzel-Onlinenachhilfe – stabil genug, um nach einer Übernahme nicht sofort Profite erzielen zu müssen. Gewinne schreibt Go Student allerdings generell noch keine.

Mitarbeitersorgen

Derart schnelles Wachstum bringt nicht nur Freuden mit sich. Um all die Herausforderungen stemmen zu können, braucht es vor allem das geeignete Personal. Und das schnell. Jedoch stellt in Österreich der Mitarbeiter- und Fachkräftemangel ein virulentes Problem vom Kleinbetrieb bis zum börsennotierten Konzern dar. So weit, so bekannt.

Go Student wählt deswegen einen anderen Weg: "Wir orientieren uns nur noch an den Fähigkeiten der Menschen, wo sie wohnen, ist uns mittlerweile egal", erklärt der 29-Jährige. Man arbeite mit 15 firmeninternen Headhuntern und zwei weiteren externen Betrieben, um das passende Personal ins Haus zu bekommen – respektive es überhaupt zu finden.

Nichtsdestotrotz hat Go Student eigenen Angaben zufolge während der vergangenen zwölf Monate sein Team um 1.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie 10.000 Nachhilfekräfte verstärkt. Heuer sollen es noch mehr werden. (Andreas Danzer, 11.1.2022)