Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung hat Grenzen – vor allem dann, wenn es um das Privatleben anderer geht.

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Sie könne "das alles" nicht mehr für sich behalten, "diese Ungerechtigkeit, die hier passiert", schilderte eine Mutter von drei Kindern auf Facebook. In einem öffentlichen Posting erzählte sie von ihrem Familienleben, ihrer Scheidung und jenem Moment, als der Vater die Kinder nach dem Urlaub nicht mehr zurückbrachte.

Jetzt muss die Frau das Posting löschen – und versprechen, künftig keine privaten Details ihres Familienlebens mehr öffentlich zu machen. Denn das Recht auf Privatsphäre der Kinder wiegt in diesem Fall laut dem Obersten Gerichtshof (OGH) "eindeutig" schwerer als das Recht auf freie Meinungsäußerung (OGH 15.12.2021, 7 Ob 197/21b).

Streit um Obsorge

Ihre Ehe hatten die Eltern bereits 2014 einvernehmlich beendet. Dabei vereinbarten sie eine geteilte Obsorge. Die Kinder sollten bei der Mutter wohnen, der Vater bekam ein 14-tägiges Kontaktrecht. Im Sommer 2020 änderte sich das aber schlagartig. Der Vater brachte die Kinder nach den gemeinsamen Ferien nicht mehr zurück und beantragte die alleinige Obsorge. Vor Gericht bekam er – zumindest teilweise – recht. Die Kinder lebten fortan bei ihm, die Mutter behielt ein Kontaktrecht.

Ihren Unmut machte die Frau daraufhin via Facebook öffentlich – auf einem Account, der für alle Facebook-Nutzer einsehbar war. Sie erzählte ihre Familiengeschichte und erklärte, dass ihr plötzlich und aus heiterem Himmel "schwerwiegende Dinge" vorgeworfen worden seien. Diese Anschuldigungen seien aber "alle haltlos und unwahr", und "die Justiz und die beteiligten Gutachter zucken mit den Schultern und schauen weg". In den Kommentaren unter dem Posting bekam die Frau emotionale Unterstützung. Weitere private Details wurden öffentlich.

Privatsphäre geht vor

Der Vater, die Kinder und die Großeltern wandten sich schließlich ans Gericht: Die Mutter solle das Posting löschen; die Richter ihr verbieten, künftig weitere Details aus dem Familienleben zu veröffentlichen. Das Posting greife "massiv in die Privatsphäre" ein. Alle Beteiligten hätten denselben Familiennamen und seien im Wohnort der Mutter bekannt. Im Posting werde zudem behauptet, der Vater habe ihr die Kinder rechtswidrig entzogen. Durch die Kommentare unter dem Beitrag werde der Ruf der ganzen Familie geschädigt.

Vor Gericht bekamen Vater, Kinder und Großeltern Recht – und das in allen Instanzen. Letztlich bestätigte auch der Oberste Gerichtshof die Entscheidung. Die Mutter habe in ihrem Facebook-Posting grundlos private Details des Familienlebens veröffentlicht und gehässige Kommentare, die sie hätte löschen können, geduldet.

Das Recht auf Privatsphäre überwiege "eindeutig" das von der Mutter geltend gemachte Recht auf freie Meinungsäußerung. Auch ein öffentliches Informationsinteresse bestehe in dem Fall nicht. Der Frau sei es nur darum gegangen, "negative Stimmung gegen die Antragsteller und das Pflegschaftsgericht zu machen". Ihr Posting muss sie nun löschen – und weitere Veröffentlichungen unterlassen. (Jakob Pflügl, 12.1.2022)