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Der Golden Globe strahlt momentan nicht sehr hell. Nach all den Kontroversen um die Hollywood Foreign Press Association wurden die Preise am Sonntag ohne Gags und Glamour im Beverly Hilton schnöde heruntergelesen. Jane Campion war auch nicht zugegen. Der Dreifacherfolg von The Power of the Dog wird sie trotzdem freuen, denn er festigt ihre Favoritenrolle für die Ende März anstehenden Oscars. Ein Jahr nach Chloé Zhao könnte wieder eine Regisseurin den Preis in Empfang nehmen.

Dabei ist es nicht einmal so, dass die 1954 geborene Neuseeländerin noch Trophäen bräuchte. Einen Oscar hat sie bereits für ihr Drehbuch von Das Piano (1993) erhalten, für den sie auch als erste Frau in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Der von Netflix produzierte The Power of the Dog ist Campions bisher teuerster Film. Erstmals rückt sie eine Täterfigur in den Mittelpunkt – gewährt dieser aber immer noch viel Verletzlichkeit.

Queerness und Frauenhass

Das traditionell männlich besetzte Westerngenre macht sie sich souverän zu eigen: Sie verlegt die Auseinandersetzung ins Innere einer Familie im ländlichen Montana, bricht das Rollenbild des groben Cowboys so überraschend wie facettenreich auf und spielt mit der latenten Queerness und dem Frauenhass der Figuren. Wie fast alle Filme von Campion verbindet auch die Adaption des Thomas-Savage-Romans, den sie eigentlich nur so nebenbei las, das Lyrische mit dem Gewaltvollen.

Ursprünglich strebte die Regisseurin ironischerweise gar nicht zum dramatischen Fach. Campions Eltern gründeten mit den New Zealand Players eine der ersten Theatertruppen des Inselstaats; sie entschied sich jedoch dazu, Malerei an der Chelsea Art School in London zu studieren. Erst der Wunsch, die Grenzen der Leinwand zu erweitern, brachte sie zum Film.

Mit den Augen das Bild ertasten

Wer will, kann das Echo der Malerei auch in den Filmen finden. Schon frühe Arbeiten wie ihr Debüt Sweetie (1989) oder An Angel at my Table (1990), ein Biopic über die Autorin Janet Frame, betören durch visuelle Texturen, die man mit dem Auge beinahe zu ertasten vermeint.

Campion lebt, vom Australier Colin David Englert geschieden, in Sydney, die gemeinsame Tochter Alice Englert ist Schauspielerin. Ihr wird sie wohl oft erzählt haben, wie penibel sie sich eine Annäherung an eine Rolle vorstellt: Der Brite Benedict Cumberbatch musste für The Power of the Dog nicht nur mit dem Lasso umgehen können, sondern auch lernen, wie man ein Kalb kastriert. (Dominik Kamalzadeh, 11.1.2022)