"Man wird sich auch darüber Gedanken machen müssen, was unter Informationsbedürfnis der öffentlichen Hand fällt." Raab über Regierungsinserate.

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Wien – Die neue Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) definiert eine Neuorganisation der – im internationalen Vergleich hohen – Werbeschaltungen öffentlicher Stellen und der Medienförderungen als "zentrales Vorhaben" mit "hoher Priorität" ihrer neuen Aufgabe. Auf eine Deckelung der Regierungswerbung, auf Qualitätskriterien für Medienförderungen und Inserate oder einen Zeitplan wollte sich Raab noch nicht festlegen.

Werbebuchungen öffentlicher Stellen werden bisher auch als informelle Förderungen von Medien eingesetzt, Studien etwa von Medienhaus Wien verwiesen auf besonders große Buchungsvolumina bei Boulevardmedien wie "Krone", "Oe24"/"Österreich" und "Heute".

Regierungswerbung und Medienförderungen trennen

Raab kündigte am Dienstag in ihrer ersten Pressekonferenz zu Medienthemen an, eine Trennung zwischen Werbung öffentlicher Stellen und Medienförderungen "herauszuarbeiten", auch wenn ihr "das Zusammenspiel der beiden Faktoren bewusst" sei.

Die neue Medienministerin verteidigte Informationsbedarf öffentlicher Stellen: "Es ist legitim und notwendig, dass die öffentliche Hand die Bevölkerung informiert über Einschaltungen." Sie verwies etwa auf die Kampagne ihres Frauenministeriums während der Corona-Lockdowns, die über Gewaltschutzzentren und die Frauenhelpline informierte und zu mehr Anrufen bei diesen Einrichtungen geführt hätte. "Es ist wichtig, dass wir die Bevölkerung über solche Angebote informieren", sagte Raab und verwies auch auf die Suche nach Polizisten und Justizwachebeamten via Inserat.

Öffentliche Buchungen "legitim und notwendig"

Raab auf die Nachfrage nach einer Deckelung: "Mein grundsätzlicher Zugang: Ich bin überzeugt, dass es legitim und notwendig ist, dass die öffentliche Hand die Bevölkerung informiert. Wo das notwendig ist, soll es auch getan werden."

Die umstrittene Kampagne des Finanzministeriums über eine noch nicht beschlossene Steuerreform kommentierte Raab zurückhaltend: "Man wird sich auch darüber Gedanken machen müssen, was unter Informationsbedürfnis der öffentlichen Hand fällt."

Standards für alle

Die Ministerin erklärte, sie wolle gemeinsame Standards für Regierungswerbung für alle Gebietskörperschaften entwickeln; ob die Regierung auch mit neuen, zusätzlichen Standards vorangehen könnte, wenn Länder und Gemeinden nicht zu gewinnen sind, sagte sie auf Anfrage nicht.

"Jederzeit einsehbar"

Die Ministerin betonte als Ziel verbesserte Transparenz von Einschaltungen. Für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler solle "zu jeder Zeit einsehbar sein, wo das Geld investiert wurde".

"Lücken schließen"

Raab will bei einer Reform auch prüfen, "wo kann man mögliche Lücken schließen". Bisher gibt es Bagatellgrenzen für die Meldung von Werbebuchungen – unter 5.000 Euro müssen sie nicht gemeldet werden. Auch Buchungen in nicht periodisch erscheinenden Medien müssen nicht gemeldet werden, eine weitere und genutzte Umgehungsmöglichkeit.

Raab kündigt einen Austausch mit Branchenvertretern und Expertinnen und Experten auch aus den anderen Parteien ab Februar über die anstehenden medienpolitischen Themen an. Davor wollte sie sich auch nicht festlegen, ob es für Medienförderungen und Regierungsinserate Qualitätskriterien wie die Teilnahme am Presserat geben soll. Darüber könne man diskutieren. Sie wolle aber nicht, "dass die Politik entscheidet, was ein Qualitätsmedium ist oder nicht".

Ob nach einer Reform der Medienförderungen auch reine Onlinemedien gefördert werden, kommentierte Raab nicht konkret. Sie verwies lediglich auf die 2022 neu anstehende Digitalisierungsförderung, die bestehende Medien bei der digitalen Transformation fördert, aber keine reinen Onlinemedien.

Standort stärken

Ziel als Ministerin sei, den Medienstandort zu stärken, betonte Raab mehrfach. Auf der Themenliste der neuen Medienministerin stehen nach ihren Worten zudem:

  • Eine Digitalnovelle des ORF-Gesetzes. Der ORF will Formate auch (allein) für Streaming/Online produzieren dürfen. Raab nannte auf Anfrage nach geplanten Maßnahmen einen Abschied von der Sieben-Tage-Abrufgrenze und die Präsenz des ORF in sozialen Medien. Die ORF-Novelle solle nicht auf Kosten Privater gehen, sie kündigte Gespräche dazu an. Eine Grenze für mehr ORF-Möglichkeiten aus Rücksicht auf den Gesamtmarkt wollte sie nicht definieren. Ziel sei Kooperation, nicht Konkurrenz.
  • Die republikeigene "Wiener Zeitung" soll mit Jahresende die Pflichteinschaltungen von Unternehmen verlieren, ihre Haupteinnahmequelle. Raab sprach von einem notwendigen Transformationsprozess, den sie nicht näher definierte. Ob sie die "Wiener Zeitung" als Tageszeitung erhalten will (und kann), kommentierte Raab nicht.
  • Die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten vor Bedrohung und Angriffen etwa bei Demos von Corona-Maßnahmen-Gegnern nannte Raab unter ihren zentralen Zielen. Sie sei darüber im Gespräch mit dem Innenminister.

(fid, 11.1.2022)