Die "Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte" bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen am 4. Dezember 2021.

Foto: Gaigg

Es liest sich wie ein Pamphlet aus einschlägigen Gruppen von Corona-Maßnahmen-Gegnern, was Polizisten am Dienstag als offenen Brief an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) schickten. Nicht nur die Impfpflicht solle nicht eingeführt werden, sondern auch mit der "Spaltung der Gesellschaft" und der Spaltung innerhalb der Polizei solle Schluss sein, ist dort zu lesen. Weiters ist die Rede von einer "medikamentösen Behandlung oder wie immer gearteten Impfung", von "Gentherapeutika" und davon, dass man als Geimpfter an medizinischen Studien teilnehmen würde.

In dem Brief wird klar, was die Unterzeichner von der Impfung halten: "Als Polizistinnen und Polizisten üben wir einen gefährlichen Beruf aus, bei dem jede Amtshandlung theoretisch auch zum Tod eines Beteiligten führen kann. Insofern erlauben wir uns zu behaupten, dass uns eine individuelle Betrachtung und Risikoabwägung für eine medikamentöse Behandlung oder Impfung sowie die daraus resultierende höchstpersönliche Entscheidungsfindung zumutbar ist."

Es handle sich um "keinen Verein, keine Gewerkschaft und auch keine juristische Person", steht in dem Brief, der mehrere Seiten lang ist. Sondern um eine Gruppe, die sich "informell" zusammengefunden habe. Heikel erscheint der Brief nicht nur wegen irreführender medizinischer Aussagen, sondern nicht zuletzt auch deshalb, weil davon die Rede ist, dass Karner im Falle der Einführung der Impfpflicht "damit rechnen" müsse, dass die Republik "zahlreiche Polizeibeamte verlieren wird". Corona-Demonstranten wolle man zudem nicht "drohend gegenüberstehen".

Ermittlungen nach Demo

Unterzeichnet ist der Brief von einer Gruppe, die sich "Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte" nennt. Angeblich stünden 600 Beamte hinter den Forderungen – Beweise dafür gibt es jedoch keine. Drei Unterstützer sind namentlich bekannt. Einer ist Uwe Eglau, der als Seelsorger Dienst bei der Wiener Polizei versieht. Zwei Beamte kommen aus Tirol und Niederösterreich.

Eglau, der auch als Psychotherapeut arbeitet, ist in einem Video zum Thema Corona zu sehen, wo er in einem Interview sagt: "Die Politik versucht über Angstmache Menschen zu steuern." Einer der Polizisten ist Johannes Rochl. Rochl ist nicht nur innerhalb der Polizei, sondern auch politisch engagiert: und zwar als Vorsitzender der FPÖ Laxenburg. "Wir wollen ein Zeichen innerhalb der Polizei setzen, dass nicht jeder ein sturer Befehlsempfänger ist", sagt er zum STANDARD. In einem früheren Beitrag im Magazin der freiheitlichen Personalvertretung echauffierte sich Rochl noch über "Freemen, Reichsbürger und sonstige Anarchisten". Heute scheint es ihn nicht zu stören, Seite an Seite mit solchen Gruppen zu demonstrieren: Mit wem man demonstriere, könne man sich nicht aussuchen, meint er. Eine Liste mit Namen der restlichen 597 Unterstützer könne man aus Datenschutzgründen nicht vorlegen, sagt Rochl.

In den letzten Wochen waren auf Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen mehrmals Gruppen zu sehen, die mit einem Transparent mit dem Schriftzug "Es reicht. Wir gemeinsam mit euch, Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte" teilnahmen. Im Dezember hieß es seitens der Wiener Landespolizeidirektion auf Nachfrage, dass diesbezüglich interne Ermittlungen eingeleitet worden seien. Es stand allerdings im Raum, dass es sich um deutsche Staatsbürger gehandelt hat. Rochl sagt, er habe "von Anfang an" teilgenommen. Prompt nach Veröffentlichung des Briefs kam auch offizielle Unterstützung von der FPÖ.

Polizisten als Politiker

Die Erzählung von einer Spaltung innerhalb der Polizei lässt sich insofern ins Verhältnis rücken, als 85 Prozent der Polizisten geimpft sind. Doch es gibt Einzelfälle, die sich gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stellen.

In Tirol ist etwa der Sprecher der MFG-Partei, Bernhard Schmidt, zugleich Postenkommandant in Lans. Als Politiker saß Polizist Schmidt bis August 2021 noch für die FPÖ im Innsbrucker Gemeinderat. Weil ihm die Freiheitlichen aber zu unkritisch gegenüber den Corona-Maßnahmen sind, trat er aus der Partei aus. Das Mandat behielt er. Bei den Tiroler Gemeinderatswahlen im Februar will Schmidt mit der MFG in 30 Kommunen den Einzug schaffen.

In Vorarlberg wiederum sorgte im November ein offener Brief von angeblich 50 Polizistinnen und Polizisten, die sich gegen Impf- und Maskenpflicht aussprachen, für Aufregung.

Die Ermittlungen zu den Urhebern, denen mögliche Disziplinarmaßnahmen angedroht wurden, verliefen bislang ergebnislos. Aber die Landespolizeidirektion bestätigt, dass es auch in Vorarlberg "zumindest eine Handvoll" Beamte gebe, die sich bei der MFG engagieren. Das sei jedem freigestellt.

Innenministerium: Polizei steht hinter Maßnahmen

Das Innenministerium reagiert mit einem allgemeinen Statement auf den offenen Brief, der am Dienstag versendet wurde: "Vorab bedanken wir uns bei allen Polizistinnen und Polizisten, die seit vielen Monaten die notwendigen Maßnahmen gewissenhaft mittragen, gewissenhaft umsetzen und somit ihrer Vorbildwirkung gerecht werden." Die österreichische Polizei stehe hinter den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

Aufgrund der hohen Impfquote könne man sagen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie im Bereich der Exekutive sehr gut angenommen und umgesetzt werden. "Insbesondere die Einhaltung der 3G-Regelung ist eine wesentliche Maßnahme, um den mit vielen Bürgerkontakten behafteten Beruf der Polizistinnen und Polizisten zum Selbstschutz, aber auch zum Schutz der Mitmenschen aufrechterhalten zu können", heißt es. (Vanessa Gaigg, Steffen Arora, 11.1.2022)