Olaf Scholz will die Impfpflicht. Doch so schnell geht das nicht.

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Lange hat es im Herbst nicht gedauert. Bald nachdem die österreichische Regierung erklärt hatte, eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona einführen zu wollen, stand ein solches Vorhaben auch in Deutschland auf der Tagesordnung.

"Mein Vorschlag ist ja, dass der Zeitpunkt, bis zu dem dann jeder und jede sich hat impfen lassen, auch nicht allzu fern liegt, also mein Vorschlag: Anfang Februar oder Anfang März", sagte Scholz Ende November, als er noch nicht zum Kanzler gewählt war. Und er erklärte auch, wie es funktionieren soll: durch Anträge im Bundestag.

Kein Fraktionszwang

Der Plan: Es werde bei der Abstimmung keinen Fraktionszwang geben, jeder und jede Abgeordnete solle frei nach seinem/ihren Gewissen entscheiden. Scholz damals: "Ich gehe davon aus, dass das noch dieses Jahr losgeht."

Doch dem war nicht so. Nun, Mitte Jänner, liegt erst ein Antrag im Bundestag vor. Er stammt einer Gruppe aus FDP-Abgeordneten rund um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. In diesem heißt es: "Der Bundestag kann eine allgemeine Impfpflicht nicht beschließen, solange er nicht einmal die Häufigkeit der mit der Pflicht verbundenen Schutzimpfungen kennt."

Vor allem die FDP steht einer Impfpflicht kritisch gegenüber. Parteichef und Finanzminister Christian Lindner hat noch im alten Jahr darauf hingewiesen, dass das Vorhaben nicht im Koalitionsvertrag stehe, also es keine Regierungsvorlage geben werde. Allenfalls könne der Bundestag aktiv werden.

Meinungen gehen auseinander

Doch auch bei SPD und Grünen steht man diesbezüglich nicht unbedingt am Gaspedal, weil die Meinungen in den Fraktionen auseinandergehen und noch viel Gesprächs- und Beratungsbedarf herrscht.

Man werde sich in dieser Frage "nicht künstlich treiben lassen", erklärt der Vizechef der SPD-Fraktion, Dirk Wiese. Denn: "Eine allgemeine Impfpflicht ist nicht das Instrument, um die aktuelle Welle zu brechen." Sie könnte aber den kommenden Herbst erleichtern.

Wiese weist auch darauf hin, dass die Beratungen sich wohl bis Ende März hinziehen könnten, da es im Februar nur eine Sitzungswoche gebe. Das ist traditionell so, damit die Abgeordneten am Karneval in ihren Wahlkreisen teilnehmen können. Der aber ist unter Corona-Restriktionen ohnehin kaum möglich.

Auf der Tagesordnung des Bundestags steht für Ende Jänner bisher nur eine sogenannte "Orientierungsdebatte".

Die Verzögerung wird der Ampelkoalition von der nunmehr oppositionellen Union angelastet. "Das ist eine Bankrotterklärung der neuen Regierung, die in ihren eigenen Reihen keine Mehrheit für die Impfpflicht hat", sagt Fraktionsvize Sepp Müller (CDU).

Doch die große Einigkeit herrscht auch in der Unionsfraktion nicht vor. Zunächst hieß es, die Abgeordneten von CDU und CSU würden einen eigenen Antrag einbringen.

Doch am Dienstag erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei (CDU), dass dies nicht geschehen werde. Denn die Union wolle nicht die Arbeit der Ampel-Regierung übernehmen. Frei: "Wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine Impfpflicht ein Mittel ist, aus dieser Pandemie herauszukommen, dann muss sie dafür auch einen Gesetzesvorschlag vorlegen."

Staffelung nach Alter

Abgesehen vom FDP-Antrag, der die allgemeine Impfpflicht ablehnt, gibt es noch ein paar Überlegungen. So plädiert der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann für eine altersabhängige Regelung für die Gruppe über 50 wie in Italien.

Die Stufenregelung würde so aussehen: "In einem ersten Schritt könnte eine verpflichtende Impfaufklärung für alle stehen, möglichst durch Ärzte in den Impf- oder Testzentren", sagte er der Tageszeitung "Die Welt". "Wenn wir danach sehen, dass die Impfquote nicht signifikant steigt, könnte ein nächster Schritt eine Impfpflicht beispielsweise für Menschen ab 50 Jahren sein."

Für eine Impfpflicht ab 18 Jahren ist der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Als Minister soll er aber keine Vorgabe machen, daher arbeitet er jetzt in seiner Position als Bundestagsabgeordneter an einem entsprechenden Entwurf. Er ist "davon überzeugt, dass es eine große Gruppe von Ungeimpften gibt, die wir durch die Impfpflicht zu einer Impfung bewegen können."

Eine Impfpflicht gilt in Deutschland ab dem 15. März für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich. Dies ist schon beschlossen. Der grüne Gesundheitsexperte Janosch Dahmen schlägt vor, diese in einem nächsten Schritt auf Feuerwehr, Polizei oder Beschäftigte im Justizvollzug ausweiten. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.1.2022)