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Annika Schleu und die Notbremsung von Saint Boy.

Foto: Reuters/ALVARADO

Berlin – Tierquälerei" und "Verstöße gegen das Tierschutzgesetz" – die Vorwürfe gegen die Deutschen Annika Schleu und Kim Raisner nach dem Reit-Skandal im Modernen Fünfkampf wogen schwer. Der Aufschrei bei den Olympischen Spielen war groß, doch nun können die beiden unter den Eklat von Tokio zumindest juristisch einen Schlussstrich ziehen.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam stellte die Ermittlungsverfahren "wegen angeblicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz" gegen Schleu und wegen "Tierquälerei bzw. Beihilfe zur Tierquälerei" gegen Raisner ein. Beide werden eine geringe Summe an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Die Nachricht sorgte auch im Weltverband UIPM für Erleichterung. "Ich habe es ohnehin nie verstanden, warum man es auf diese Ebene gebracht hat", sagte UIPM-Präsident Klaus Schormann: "Ich bin sehr glücklich darüber, dass das ad acta gelegt wurde."

Unschuldig

Juristisch betrachtet gelten Schleu und Raisner in der Sache als unschuldig. Die Einstellung stelle "weder ein Schuldanerkenntnis seitens Frau Schleu dar noch wurde hierdurch die Schuld unserer Mandantin festgestellt beziehungsweise ein hinreichender Tatverdacht bestätigt", schrieben Schleus Anwälte. Die Mandantin habe sich "in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft aus rein verfahrensökonomischen Gründen für eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens auf diesem Wege entschieden".

Auch Raisner (49) habe einer Einstellung zugestimmt, der Schuldvorwurf entfalle, "sodass sich unsere Mandantin weiterhin als unschuldig bezeichnen darf", betonten ihre Anwälte.

Für den Deutschen Tierschutzbund, der im August Strafanzeige gestellt hatte, "ist der Vorwurf der Tierquälerei mit der Entscheidung der Potsdamer Staatsanwaltschaft" hingegen "nicht widerlegt". Es sei aber in erster Linie darum gegangen, "eine gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit Pferden im Wettkampfsport anzustoßen". Das sei "zweifellos gelungen, wie die angekündigten Änderungen im Modus des Modernen Fünfkampfs belegen", teilte der Tierschutzbund mit.

Welle der Empörung

Das war passiert: Schleu hatte auf Olympia-Goldkurs gelegen, doch dann nahm das Unglück seinen Lauf. Beim Springreiten blockte das ihr zugeloste Pferd Saint Boy ab. Schleu versuchte unter Tränen, das verängstigte Tier mit Sporen und Gerte zurück in den Parcours zu bringen. Bundestrainerin Raisner animierte ihre Athletin zusätzlich mit umstrittenen Zurufen und einem Faustschlag gegen das Pferd. Es folgte eine Welle der Empörung.

Was aus der Situation gemacht worden sei, "war, um in der Sportsprache zu bleiben, absolut unfair", sagte Schormann: "Ich kann nicht verstehen, dass man die Athletin und die Trainerin so belastet hat." Nun ist der Fall zumindest juristisch abgeschlossen.

Schleu sei weiter "an einer Fortführung der Diskussion zum Schutz von Tieren, speziell Pferden in- und außerhalb des Sports" gelegen, teilten ihre Anwälte mit. Die Diskussion um den Schutz von Pferden im Sport solle aber nicht weiter "auf dem Rücken" der 31-Jährigen ausgetragen werden, "sondern innerhalb der zuständigen Verbände fortgesetzt werden".

Erste Konsequenzen hat der Weltverband bereits eingeleitet. Nach den Sommerspielen in Paris 2024 soll das Springreiten durch eine noch nicht bekannte Disziplin ersetzt werden. Schormann hofft derweil, dass Schleu und Raisner trotz der Vorfälle "ihren Weg weiter fortschreiten". (sid, 11.1.2022)