Sieht so ein Hitler-Gegenspieler aus? Kronprinz Wilhelm (vorn rechts) beim SA-Appell mit Ernst Röhm.

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Das Schloss Cecilienhof in Potsdam wurde 1917 fertig, mitten im Ersten Weltkrieg. Ein Adelssitz ironischerweise im Stil englischer Landgüter, also nach der Fasson des damaligen Feindes. Einziehen konnte damals nur eine Frau, nämlich die Kronprinzessin Cecilie. Ihr Mann Wilhelm war an der Front im Westen, wie auch dessen Vater, der damalige deutsche Kaiser Wilhelm II. Ein Jahr nach der Übergabe von Cecilienhof an die Hohenzollern war die Monarchie in Deutschland zu Ende, und für das Gebäude – wie auch für die Familie, der es gehören sollte – begann eine wechselvolle Geschichte.

Sie ist noch immer nicht zu Ende, denn eine neue Generation des "vormals regierenden preußischen Königshauses" erhebt nun "Entschädigungsansprüche"*: Georg Friedrich Prinz von Preußen, der derzeitige "Chef des Hauses", verhandelt seit vielen Jahren mit der Repubik und dem Land Brandenburg über ehemalige Besitztümer, darunter auch viele Kunstschätze. Dabei kam auch der "Vorschlag" der Familie zur Sprache, sie könnte auf Schloss Cecilienhof wieder ein Wohnrecht bekommen. Seit 2019 ist dieses konkrete Thema vom Tisch, weil es von der öffentlichen Hand für "nicht verhandelbar" erklärt wurde.

Komplizierte Sachlage

Hintergrund der Bemühungen der Hohenzollern sind Enteignungen im Osten Deutschlands nach 1945, als die sowjetische Besatzungsmacht zahlreiche Güter einzog, die 1990 vor allem ehemalige Großgrundbesitzer zurückhaben wollten. In die juristische Lösung für diese komplizierte Sachlage kam damals auch eine Klausel, die Wiedergutmachungen ausschloss, wenn sich frühere Besitzer in der DDR oder schon im Nationalsozialismus durch Kollaboration mit dem Regime schuldig gemacht haben. Das führt nun dazu, dass über die Bemühungen des Hauses Preußen schon seit mehreren Jahren nicht zuletzt Historiker streiten, denn es geht nun um den Nachweis, ob die Hohenzollern – zuvorderst der Kronprinz Wilhelm (1882–1951) – dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet haben.

Stephan Malinowski ist in diese Debatten seit 2014 involviert. Damals beauftragte das Finanzministerium von Brandenburg den Historiker mit einem Gutachten, das den Standpunkt der öffentlichen Hand gegenüber der Familie von Georg Friedrich Prinz von Preußen klären sollte. Malinowski hatte mit einem Thema zur Adelsforschung promoviert, war also prädestiniert für die Aufgabe.

Einhegung revolutionärer Impulse

Im September hat er nun die Summe seiner Auseinandersetzung mit dem Thema vorgelegt: Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration (Propyläen-Verlag) ist eines der herausragenden Sachbücher des Jahres 2021. Und es ist von Interesse nicht nur für den Streit zwischen der Republik und den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers. Das Buch spricht auch zu einer populären Kultur, die sich fasziniert zeigt von der Weimarer Republik und besonders von einem "Babylon Berlin". In der gleichnamigen TV-Serie spielt der Antirepublikanismus um 1930 eine bedeutende Rolle. Man wird die Aktivitäten von Kronprinz Wilhelm auch vor diesem Vorstellungshorizont mit Gewinn lesen.

Alles beginnt 1918 damit, dass sowohl der Kaiser wie auch sein Sohn angesichts des verlorenen Krieges das Weite suchten. Ihre "verweigerte Sterbeleistung" sorgte für eine erste Entfremdung von den konservativen Milieus, in denen es für selbstverständlich gelten mochte, dass die obersten Befehlshaber angesichts der Niederlage einen Heldentod suchen hätten müssen. Beide Wilhelms landeten in den Niederlanden, der ehemalige Kaiser sollte noch mehr als zwanzig Jahre im Exil in Doorn über Karten brüten, auf denen er sich neue, bessere Kriegsverläufe ausmalte.

Kronprinz Wilhelm hingegen kehrte schließlich nach Deutschland zurück, in ein Land, das 1926 einem Volksbegehren für eine Fürstenenteignung nicht entsprach. Im Gegenteil wurde ein Vermögensausgleich beschlossen, der den Hohenzollern große Reichtümer beließ. Auch Hitler war damals gegen die Enteignung, und damit für eine Einhegung der revolutionären Impulse nicht zuletzt in seiner eigenen Partei.

Nachträgliche Reklamation

Aus der Sicht der Hohenzollern war Kronprinz Wilhelm ein konservativer Gegenspieler von Hitler, sogar in den 20. Juli 1944 würde sich die Familie gern hineinreklamieren. Malinowski weist schlüssig nach, dass sich Wilhelm 1932/33 zwar weiterhin Hoffnungen auf eine Restauration der Monarchie machte, dass er aber in erster Linie ein Bündnis mit den Nationalsozialisten einging, das weit über taktische Konzessionen hinausging. Wilhelm machte Öffentlichkeitsarbeit für die Nazis, er suchte die Nähe von Hitler und Göring, er ließ in relevanten Momenten keinen Zweifel daran, dass er "glücklich" war über die "nationale Regierung" und dass er Selbstinszenierungen mit dem Hakenkreuz suchte.

In seinem Nachwort weist Malinowski darauf hin, dass Georg Friedrich seine Arbeit durch zahlreiche juristische Angriffe zu stören versucht. Sein Buch wird trotzdem eine entscheidende Grundlage bilden für die Diskussion über allfällige Entschädigungen. Darüber hinaus gilt es natürlich auch, über die moralische Qualität der Forderungen der Hohenzollern zu urteilen. Sie leiten sich ja aus Standesprivilegien ab, die – wie auch Österreich lernen musste – in modernen Gesellschaften keinen Platz haben. (Bert Rebhandl, 12.1.2022)