Joe Biden will nun doch die Senatsregeln ändern, um eine Reform zur Wahrung des Wahlrechtes durch den Kongress zu bringen.

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Bisher hatte US-Präsident Joe Biden als jemand gegolten, der von über 30 Jahren im Senat geprägt ist, dem dessen Spielregeln heilig sind und der auch bei starkem Gegenwind an der Suche nach Kompromissen festhält. Doch damit ist es, so berichten US-Medien übereinstimmend, nun vorbei. Demnach ist nun auch Biden dafür, die von seinen Demokraten vorangetriebene Wahlrechtsreform mit einem heiklen Manöver durch den Senat zu bringen – nämlich mit einem Aushebeln der Sperrminorität im Senat, die der sogenannte Filibuster den Republikanern derzeit ermöglicht. Biden befürworte eine Änderung der Abstimmungsregeln, um republikanische Gesetze in den Bundesstaaten, die eine Einschränkung des Wahlrechtes bedeuten würden, durch bundesweite Mindeststandards ersetzen zu können.

Der Präsident will demnach bei einer Rede in Atlanta im Bundesstaat Georgia am Dienstag seine Entschlossenheit bekräftigen, zwei Gesetzestexte zur Wahlrechtsreform gegen den Widerstand der Republikaner durchzusetzen. Dafür ist eine Aussetzung der sogenannten Filibuster-Regel nötig. Die bisherigen Senatsregeln besagen, dass alle außer bestimmten (Budget-)Gesetzen de facto nur mit einer Mehrheit von 60 Stimmen beschlossen werden können. Die Filibuster-Regel selbst aber kann aber mit einer Mehrheit von nur 50 Stimmen abgeschafft oder verändert werden.

Licht oder Schatten?

Weil die Demokraten im Senat nur durch die entscheidende Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris in der Mehrheit sind, stehen einander in Fragen der Wahlrechtsreform 50 Demokraten und 50 Republikaner gegenüber. Und Letztere zeigen sich nicht kompromissbereit – denn ihnen bringen die Änderungen und Einschränkungen im Wahlrecht, die viele Bundesstaaten im vergangenen Jahr beschlossen haben, mutmaßlich Vorteile. Allerdings ist eine Änderung der Filibuster-Regeln von der Zustimmung aller Demokraten im Senat abhängig. Deren zwei konservativsten Abgeordnete, Joe Manchin und Kyrsten Sinema, haben bisher keine Zustimmung dazu signalisiert.

Biden hingegen sieht die Zukunft der US-Demokratie auf dem Spiel. Er bezeichnet die Abstimmung im Senat, die von den Demokraten bis spätestens zum Martin-Luther-King-Day am 17. Jänner geplant ist, laut im Voraus veröffentlichter Redeauszüge als einen "Wendepunkt" für die USA. "Werden wir die Demokratie der Autokratie vorziehen, das Licht dem Schatten, die Gerechtigkeit der Ungerechtigkeit? Ich weiß, wo ich stehe." Er werde nicht zurückweichen "und das Recht auf Wahlen und unsere Demokratie gegen alle Feinde im In- und Ausland verteidigen".

Einschränkungen im Wahlrecht

Seit der Präsidentschaftswahl 2020, bei der sich Biden gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt hatte, treiben die Republikaner Änderungen im Wahlrecht in von ihnen regierten Bundesstaaten voran. Sie begründen dies mit angeblicher Betrugsanfälligkeit der bisherigen Wahlgesetzgebungen. Dabei geht es um Beschränkungen für die Briefwahl und die vorzeitige Stimmabgabe, Tilgungen von Wahllisten, strengere Ausweisregeln, und vereinfachte Vorgaben, um Stimmen für ungültig erklären zu können. Versuche wie jener Donald Trumps 2020, legitime Wahlergebnisse im Nachhinein zu beeinspruchen, könnten damit zu Zukunft erleichtert werden.

Die Demokraten werten dies hingegen als Versuch, Minderheiten wie Afroamerikanern, die mehrheitlich demokratisch wählen, das Wählen zu erschweren, und Republikanern einen größeren politischen Einfluss auf die Wahlen zu sichern. Die von den Demokraten geforderte Reform soll unter anderem allen US-Bürgern das Recht auf eine Briefwahl sowie auf eine Stimmabgabe vor dem Wahltermin garantieren.

Minderheit warnt vor "Machtübernahme" der Mehrheit

Die Republikaner verurteilten die Pläne der Demokraten. "Sie wollen Millionen von Amerikanern zum Schweigen bringen und den Senat übernehmen, um Einfluss auf die Wahlen zu gewinnen", sagte der oberste Republikaner im US-Senat, Minderheitsführer Mitch McConnell.

Auch sein Parteikollege Lindsey Graham warf den Demokraten eine versuchte "Machtübernahme" vor. Er warnte vor den Folgen einer Aussetzung des Filibusters. Bei geänderten Machtverhältnissen könnten dann auch die Republikaner zu einer solchen Maßnahme greifen, was letztlich der Suche nach parteiübergreifendem Konsens im Senat schaden würde. Während der Regierungszeit Trumps hatten die Republikaner in den ersten beiden Jahren die Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat. Sie hatten die Filibuster-Regel damals nicht geändert. (mesc, red, 11.1.2022)