Gute Neuigkeiten: Kiel-Legionär Nikola Bilyk führt Österreichs Handballteam bei der Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei nach einjähriger Verletzungspause wieder an.

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Patrick Fölser, Sportdirektor des Österreichischen Handballbunds, will die fehlende Testspielpraxis nicht als Entschuldigung sehen.

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Generalsekretär Bernd Rabenseifner freut sich über kontinuierlichen Erfolg und darüber, dass Handball wieder sichtbarer in der Öffentlichkeit wird.

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Auch Österreichs Handballer hatten es schon einmal lustiger. Dass man zu einer Europameisterschaft ohne Vorbereitungsspiele anreist, das gab es noch nie. Wobei der Übergang vom Tragischen zum Komischen ja oft fließend ist. So geht Österreich zumindest ungeschlagen in eine Endrunde. Oder wie es Bernd Rabenseifner, der Generalsekretär des Österreichischen Handball Bundes (ÖHB), im Gespräch mit dem STANDARD formuliert: "So können uns die Gegner zumindest nicht ausspionieren. Es gibt ja kein aktuelles Videomaterial von uns."

Am Donnerstag wird die 15. EM der Männer in Ungarn und der Slowakei angepfiffen. Österreich trifft am Freitag zum Auftakt in Gruppe D in Bratislava auf Polen (20.30 Uhr, ORF Sport+), weitere Gegner sind am Sonntag Deutschland (18.00) und am Dienstag Belarus (20.30).

Das Team hätte im Vorfeld zweimal gegen die Slowakei testen sollen. Beide Vorbereitungsspiele mussten abgesagt werden, weil die Slowaken Corona-Fälle in ihren Reihen hatten. Was früher undenkbar gewesen wäre, ist in der aktuellen Situation Realität. "Es gab Testspielangebote von anderen Ländern, wir haben diese Entscheidung aber bewusst getroffen, wollen gesund zum Turnier kommen. Der Druck in einem Spiel ist natürlich ein anderer", sagt Sportdirektor Patrick Fölser. Der Schock der Frauen-WM in Spanien sitzt dem Verband noch in den Knochen. Zahlreiche Teamspielerinnen fielen wegen positiver Corona-Tests aus.

Fölser will den Kopf nicht in den Sand stecken. "Wir jammern nicht, nehmen das nicht als Entschuldigung. Wir dürfen unserer Leidenschaft nachgehen." Ob es bei den Spielern im Training untereinander nicht etwas weniger hart zur Sache geht als in einem Match? "Definitiv nicht. Die hauen sich ordentlich in die Fresse. Es sind Zug und Härte drin. Wir müssen einen Intensitätslevel aufbauen", sagt Fölser.

Essen ohne Kellner

Die Mannschaft hat sich in Stockerau vorbereitet, isoliert auf zwei Stockwerken in einem Hotel, das nur Tagesgäste empfing. "Nicht einmal die Kellner haben wir gesehen, die haben das Essen vor uns her- und nach uns wieder abgeräumt." Bis auf ein paar Spaziergänge in der Donauau war der Bewegungsradius der Spieler quasi null. Teamchef Ales Pajovic kann immerhin auf die stärkste Truppe seit langem zurückgreifen, bis auf Max Hermann sind alle Spieler fit, sprich auch dessen Bruder Alex Hermann und natürlich Nikola Bilyk. Österreichs bester Handballer war mehr als ein Jahr lang out. Der 25-jährige Legionär von THW Kiel bestreitet nach einem Kreuzbandriss seine ersten Länderspiele bei einem Großereignis seit der EM 2020 in Wien. "Wir wollen in die Hauptrunde, auch wenn es schwer wird. Ich traue mich immer mehr mit meinem Knie", sagt er.

Deutschlands Coach Alfred Gislason sprach gar von einer "Todesgruppe", in der "jeder jeden schlagen kann". "Er hat das lieb formuliert", sagt Kollege Pajovic, für den der mehrfache Welt- und Europameister trotz eines personellen Umbruchs klarer Favorit ist. Deutschland konnte im Gegensatz zu Österreich Testspiele absolvieren, schlug etwa Frankreich mit 35:34.

Weniger Förderung

Generalsekretär Bernd Rabenseifner erinnert nicht ungern an die fünfte Teilnahme an einer Endrunde in Folge, von der EM 2018 bis zur EM 2022. "Unsere Erfolge sowohl bei den Männern als auch mittlerweile bei den Frauen sind wichtig in puncto Sportförderung." Die Bundes-Sport GmbH hat Ende des Vorjahres die Fördersummen für den nächsten Olympiazyklus im Sommersport bis 2024 vorgelegt. Der Handballbund zählt sich trotz einer Erhöhung der athletenspezifischen Spitzensportförderung auf 450.000 Euro für die beiden Nationalteams der Männer und Frauen im Jahr 2022 nicht zu den Gewinnern der nächsten Förderperiode. "Insgesamt haben wir weniger bekommen als im Jahr davor, Olympiamedaillen werden höher bewertet, Mannschaftssportarten tun sich schwer", sagt Rabenseifner. Bei den öffentlichen Fördermitteln für den Sport hat es seit 2010 keine Wertanpassung gegeben, "der Kuchen wird für alle Verbände kleiner, weil alles teurer wird."

Hauptakteur bei der EM bleibt Corona. Zahlreiche Stars wie etwa die Kroaten Domagoj Duvnjak und Luka Cindric oder der Däne Jannick Green verpassen die Gruppenphase. "Wer die wenigsten Corona-Fälle hat, wird Europameister", sagt Bob Hanning, der Ex-Vizepräsident des Deutschen Handballbunds. An den Spielorten in der Slowakei (Bratislava, Kosice) darf die Kapazität zu 25 Prozent ausgereizt werden, bei den Matches der Österreicher dürfen 2500 Zuschauer in die Halle. Ungarn verzichtet auf Beschränkungen. (Florian Vetter, 12.1.2022)