Weil Impfbusse und andere Maßnahmen der Impfkampagne zu wenig auf Touren kamen, will die Koalition einen Gang höher schalten. Doch es gibt Bremser.

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Die Impfpflicht soll kommen, darauf beharrt die Regierung – und zwar wie geplant Anfang Februar.

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Die Regierungsspitzen demonstrieren Standhaftigkeit: Ja, die Impfpflicht werde eingeführt, versichern Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) abwechselnd – und zwar nicht irgendwann, sondern zum anvisierten Termin Anfang Februar.

Doch der Gegenwind ist beträchtlich. Im parlamentarischen Begutachtungsverfahren sind bis Fristende 106.047 Stellungnahmen eingetrudelt – so viele, wie bei keinem anderen Gesetzesentwurf zuvor. Abgesehen von einer Unmenge gleichlautender Protestnoten von Privatpersonen findet sich darunter auch detailreiche Kritik namhafter, politisch einflussreicher Institutionen.

Die Sozialpartner etwa monieren, dass vor solch einem radikalen Schritt erst alle gelinderen Mittel – von der Impfprämie bis zur ausgeklügelten Kampagne – ausgeschöpft werden sollten. Am weitesten geht die mit der Kanzlerpartei ÖVP verbandelte Wirtschaftskammer: Die Arbeitgebervertreter plädieren dezidiert für eine Verschiebung.

Mehr gewollt als möglich

Besonders zu kiefeln gibt der Regierung aber die vielbeachtete Stellungnahme der Elga GmbH. Das Unternehmen, das die Impfpflicht technisch ermöglichen soll, hält das vorgelegte Tempo für überambitioniert: Laut Plan sollen alle ungeimpften Personen am 15. Februar zum Impfen aufgefordert werden. Wer dem nicht bis zum ersten der vierteljährlich geplanten Impfstichtage am 14. März Folge leistet, dem droht laut Gesetzesentwurf eine Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro oder – in vereinfachtem Verfahren – zumindest 600 Euro. Ausgenommen sind Personen mit offizieller Befreiung. Doch die dafür etwa nötige Anpassung des Patientenregisters, heißt es bei Elga, brauche mindestens bis April.

Nehammer hat bereits eingeräumt, dass bis dahin eine Übergangsphase nötig sei. Das nährt Spekulationen, wonach die Impfpflicht zum Start so weit entschärft wird, dass es einer De-facto-Verschiebung gleichkommt. Unter Berufung auf Regierungskreise kolportierte die "Kleine Zeitung" eine "Light-Version": Impfunwillige könnten nur dann gestraft werden, wenn sie in eine Polizeikontrolle geraten, und das mit moderaten Pönalen von etwa 60 Euro. Das Provisorium könne sogar zur Dauerlösung werden, mutmaßt das Blatt.

Wie Strafen schrumpfen können

Dass Strafen nicht immer so hart exekutiert werden, wie es auf den ersten Blick scheint, ist kein neues Prinzip. Das Covid-Maßnahmengesetz etwa sieht für diverse Verstöße Obergrenzen zwischen 500 und 1.450 Euro vor. Gleichzeitig gibt es für die Polizei aber auch die Möglichkeit, Geldbußen per Organstrafverfügung zu verhängen. In dem Fall werden maximal bescheidene 50 Euro fällig.

Das Gesundheitsministerium dementiert allerdings, dass es zum Beginn auf eine Pro-forma-Variante hinauslaufe: Die Darstellung in der "Kleinen Zeitung" sei "nicht korrekt" und widerspreche den tatsächlichen Plänen. Technische Fragen würden berücksichtigt, doch das ändere nichts am Vorhaben, ab Mitte März "breite" Kontrollen durchzuführen.

Für Mittwoch sei eine Verhandlungsrunde zwischen den Koalitionsvertretern, der Opposition und Verfassungsjuristen angesetzt, heißt es aus dem Ministerium. Am Montag soll das überarbeitete Gesetz – Nehammer spricht von "Feinschliff" – den Gesundheitsausschuss passieren. Doch die angestrebte breite Mehrheit wackelt.

"Zickzackkurs" der Genossen

Die Neos haben trotz prinzipiellen Wohlwollens eine "offene Debatte" über die Impfpflicht unter den neuen Bedingungen gefordert – schließlich dürfte die Omikron-Welle für reichlich Immunisierungen sorgen.

In der SPÖ tun sich Länderchefs mit Kritik hervor. Der Burgenländer Hans Peter Doskozil sprach sich für ein "Überdenken" aus, der Salzburger David Egger und der Tiroler Georg Dornauer plädierten für Verschiebung. Beide führen etwa fehlende technische Voraussetzungen – "Impfpflicht-Pfusch" – ins Treffen. Gegenstimmen kommen von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ("Zickzackkurs") und der Vorarlberger SP-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger, die hinter der von den Genossen befeuerten Debatte "Wasser auf die Mühlen der Impfgegner" sieht.

In Konkurrenz mit der FPÖ

Die Sozialdemokratie ist auch unterhalb der Chefetage in dieser Frage uneins. Besonders in den Arbeitergewerkschaften, berichten Genossen, seien die Vorbehalte groß, was Mitglieder die Betriebsräte spüren ließen. Kein Wunder, sind diese Gruppen ja auch abseits von Corona für FPÖ-Positionen anfällig.

Die roten Gewerkschaftsvertreter sind nun im Erklärungsnotstand: Ursprünglich traten sie vor den Belegschaften zwar für die Impfung, aber gegen die Impfpflicht auf – bis die Bundesspitze und andere Wortführer der Mutterpartei eine gegenteilige Linie vorgaben. (Gerald John, 11.1.2022)