DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner.

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Die Teilnahme von Polizistinnen und Polizisten und Angehörigen des Bundesheeres an sogenannten Corona-Demonstrationen beschäftigt auch den Verfassungsschutz. "Wir beobachten das mit großer Sorge", sagt Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), zum STANDARD-Watchblog.

Polizeibeamte hätten natürlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung, sagt Haijawi-Pirchner, aber sie müssten sensibel agieren. Was bisher nicht immer der Fall war. Das Innenministerium hat Disziplinarmaßnahmen gegen einige Beamte verhängt, die – nicht nur bei Demonstrationen – "über die Stränge geschlagen" hätten. Entlassen wurde laut Haijawi-Pirchner bisher allerdings noch niemand.

Am vergangenen Samstag führten die rechtsextremen Identitären wieder einmal die Corona-Demo in Wien an.
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Mit Sorge sieht Haijawi-Pirchner auch, dass sich die Szene der Impfgegnerinnen und Impfgegner stärker radikalisiert, je näher die Impfpflicht rückt. Nachdem es bei Demonstrationen immer wieder zu tätlichen Attacken auf Polizistinnen und Polizisten sowie Journalistinnen und Journalisten gekommen ist, werden nun neue Wege eingeschlagen. Um Gewaltexzesse zu verhindern, wurden vom Verfassungsschutz sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt, sagt Haijawi-Pirchner. Diese Aufklärungsgespräche haben wohl auch bewirkt, dass einige Personen aus dem Neonazi- und Hooligan-Milieu der Demonstration am vergangenen Samstag in Wien ferngeblieben sind. Wie viele dieser Ansprachen es bisher gab, wollte Haijawi-Pirchner nicht sagen, es dürfte sich aber um eine beachtliche Zahl handeln, wie auch Postings von Betroffenen auf Telegram zeigen.

"Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte"

Im Innenministerium kommt auch der offene Brief dreier Personen aus dem Polizeiumfeld nicht besonders gut an, in dem Stimmung gegen die Impfung gemacht wird, und die angeben, für 600 Beamtinnen und Beamte zu sprechen. Sie appellieren in dem Schreiben an den Ressortchef, sich unter anderem dafür einzusetzen, die angebliche Diskriminierung ungeimpfter Kolleginnen und Kollegen zu beenden. Vorwürfe, die das Innenministerium nicht nachvollziehen kann. Es wird auch angezweifelt, dass das es diese 600 "Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte", wie sich die Gruppe nennt, tatsächlich gibt. Bei einer Demonstration in Wien im Dezember des vergangenen Jahres war deren Block auch wesentlich kleiner.

Die Gruppe "Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte" bei einer Corona-Demonstration am 11. Dezember des vergangenen Jahres in Wien.

Bereits vor einigen Wochen traten auch Angehörige des Bundesheeres, darunter ein Oberst des Heeresnachrichtenamtes, mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit, um gegen die Impfung zu polemisieren. Sie stellten sich damit gegen die offizielle Linie des Bundesheeres und handelten sich eine disziplinarrechtliche Prüfung ein.

Gefühl der Stärke

Das Auftreten von Polizistinnen, Polizisten und Militärs bei Demonstrationen kommt bei anderen Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmern und Impfgegnerinnen und -gegnern gut an. Es verleiht ihnen ein Gefühl der Stärke und bestärkt sie in der (falschen) Annahme, sie würden die Mehrheit der Bevölkerung stellen.

Wir sehr die österreichischen Demonstrationen ausstrahlen, zeigt sich in Deutschland, wo Neonazis und andere Rechtsextreme die Slogans der Wiener Identitären skandieren und auf ihre Transparente schreiben. Neben gewalttätigen Hooligans und ehemaligen AfD-Politikern kommen auch ehemalige Offiziere der deutschen Bundeswehr nach Österreich, um ihre Reden zu schwingen. (Markus Sulzbacher, 12.1.2022)