Ihr Basshimmel ist voller Ideen: Gina Schwarz.

Foto: Hans Klestorfer

Auch wenn wir noch mitten in der Pandemieepoche stecken: Längst haben die ersten Etappenlockdowns künstlerische Reflexionen nach sich gezogen, die sich in Aufnahmen materialisierten. Bassistin und Komponistin Gina Schwarz etwa nahm sich, als dem öffentlichen Leben 2020 der Stecker gezogen wurde, vor, innerhalb von sechs Tagen sechs Stücke zu komponieren. Es ging für die Jazzmusikerin dabei – in einer Grenzsituation der Abgeschiedenheit – um das Verarbeiten emotionaler Ambivalenz.

Themen wie Kommunikation in der Isolation, "Bewegung im Stillstand, Struktur im Chaos", Euphorie in der Wehmut und auch "Aufbruch in der Resignation" wurden auf dem Album All Alone 2020 kompositorisch verarbeitet. Das vielschichtige, diskret groovende Album mutet denn auch an wie ein kammermusikalisches Tagebuch.

Toll besetzt

All Alone 2020 beinhaltet jedoch nicht nur kollektiv geprägte Stücke, die Könner wie Trompeter Lorenz Raab und Pianist Philipp Nykrin bereichern. In der "Coda" taucht Schwarz quasi in Bereiche extremer Reduktion ab. Verinnerlicht und düster klingt Duologue, ein Zwiegespräch "mit meiner Tochter Judith Schwarz am Schlagzeug", und sanft variiert Schwarz im Bass-Solo Monologue mutmaßlich das Thema Einsamkeit.

Die Fähigkeit zur Musikvielfalt hängt womöglich auch mit ihrem Ursprungsinstrument zusammen, dem Akkordeon, es war lange Zeit ihre Hauptobsession. Schwarz berichtet, sie habe dabei Glück gehabt, in der Musikschule "meiner Heimatstadt Hollabrunn einen ‚modernen‘ Unterricht erlebt zu haben".

Die Nähe zur zeitgenössischen Musik brachte essenzielle Impressionen: Schwarz nennt Kompositionen wie Road Runner von Saxofonist John Zorn, dem Mastermind der Postmoderne. Auch Hymnkus von Musikdenker John Cage oder auch Bearbeitungen von Sonaten Domenico Scarlattis waren wichtig. Natürlich auch Orgelwerke von Vater Bach.

Freundschaft mit dem E-Bass

Was ihre instrumentale Seite anbelangt, muss von einer weiteren Zwischenetappe auf dem Weg zum akustischen Bass berichtet werden. Schwarz, die an der Musikuni in Wien unterrichtet, schloss zunächst Freundschaft mit der E-Variante des Viersaiters; nur eine Zufallsbegegnung brachte den Umschwung, und das kam so: Ihr damaliger Lehrer verließ oft für eine Weile den Unterrichtsraum, und nach "meiner Jazz-Diplomprüfung am E-Bass saß ich wieder einmal allein im Unterrichtsraum und setzte mich aus Langeweile ans Klavier, entdeckte aber einen Kontrabass in der Ecke ..."

Was bis dahin Desinteresse war, mündet in den Kauf eines Instruments und vier Jahre später in das Album SchwarzMarkt. Darin flossen Eindrücke aus Übersee mit ein. Schwarz, auch durch die Zusammenarbeit mit Kontrabassist Peter Herbert geprägt, ging nach New York und nahm Unterricht "bei etwa 20 Bassisten". Auch "lebende Jazzgeschichte" wie Cecil McBee und Buster Williams war dabei.

Viel zu tun...

Wie es weitergeht? Schwarz muss, wie alle in der Kulturbranche, auf die täglichen Wendungen in der Pandemie reagieren: "Veranstaltungen werden situationsbedingt kurzfristig abgesagt. Da kommt man schon bald an seine Grenzen als Bandleaderin." Sie sei zum Glück jedoch sehr ausgelastet. "Da ich einige Produktionen in den letzten drei Jahren eingespielt habe, gibt es zu tun – Mixing, Mastering, Postproduktion, Grafik ... Man ist ja als Künstlerin beinahe überall involviert." So ist das mittlerweile in der Jazzbranche. Aber das ist eine ganz andere stressige Geschichte. (Ljubiša Tošic, 12.1.2022)