Ab Februar soll die Impfpflicht bis auf wenige Ausnahmen für alle Menschen in Österreich gelten, wenn es nach der Regierung geht. Am Arbeitsplatz soll aber weiterhin die 3G-Regelung bestehen. Was für Auswirkungen hat das auf den Arbeitsmarkt? Und wie verbreitet ist das Phänomen, dass sich Ungeimpfte von ihrem bisherigen Job verabschieden, weil sie sich nicht impfen lassen wollen? AMS-Vorstand Johannes Kopf gibt Einschätzungen.

STANDARD: Ab Februar soll in Österreich eine Impfpflicht gelten. Nimmt die Zahl der Jobs zu, in denen eine Impfung vorausgesetzt wird?

Kopf: Es gibt keine belastbare Auswertung dazu. Aber wenn man sich die ausgeschriebenen Jobs durchschaut, bekommt man den Eindruck, dass jedenfalls im niedrigen einstelligen Bereich eine Impfung vorausgesetzt wird. Das ist mehr geworden, aber ab November nicht mehr wirklich. Denn die Ankündigung der Impfpflicht hat das Thema eigentlich von den Arbeitgebern wegverlagert, die davon ausgehen, dass das jetzt der Staat löst. Der Staat hat hier insofern was Gutes getan, als dass dieses Thema ja auch emotional und schwierig ist für die Arbeitgeber. Was man aber schon sagen muss: Nur weil es nicht im Inserat steht, heißt es noch lange nicht, dass das Unternehmen Ungeimpfte einstellt. Ich weiß, dass viele nach dem G-Status fragen im Vorstellungsgespräch, allein deshalb, weil sie das Ansteckungsrisiko minimieren wollen. Sind Bewerber ungeimpft, ernten sie meist ein Naserümpfen.

AMS-Chef Johannes Kopf denkt, dass sich Ungeimpfte wegen der Impfpflicht nicht massenhaft nach einem neuen Job umsehen werden.
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STANDARD: Ungeimpfte haben also geringere Jobchancen?

Kopf: Ja, die Jobchancen sind sicher massiv reduziert. Man muss aber nach Branchen unterscheiden. Eigentlich keine Chancen gibt es im Gesundheitsbereich, der Kinderbetreuung, Arbeit mit vulnerablen Gruppen, wo es mittlerweile üblich ist, dass die Impfung verlangt wird. Das sehen die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer und Arbeitsministerium auch völlig unstrittig, dass das arbeitsrechtlich in Ordnung ist. Genauso auch bei privaten Arbeitgebern, wo nahe mit Menschen gearbeitet wird, wie in Lokalen, Hotels mit Massage oder im Handel, kann im Rahmen der Privatautonomie eine Impfung vorausgesetzt werden. Das dürfte auch in einem Prozess halten, wenn man jemanden, der nicht geimpft ist, deswegen nicht nimmt.

STANDARD: Und wie ist es in den anderen Branchen?

Kopf: Da ist es auch ein Thema. Gleich wie im Freundeskreis, wo viele sich auch lieber mit den geimpften als mit den ungeimpften Freunden treffen, werden Arbeitgeber die Geimpften bevorzugen. Nur da, wo Personalnot ist, wird man wohl eher darüber hinwegsehen und regelmäßige Tests verlangen.

STANDARD: Könnte die Impfpflicht die Personalnot nicht verschärfen? Man liest Jobgesuche und hört anekdotisch, dass sich Ungeimpfte nach einem neuen Job umsehen, weil sie sich nicht impfen lassen wollen ...

Kopf: Das halte ich für überschätzt und nur ein kleines Thema, das den Fachkräftemangel nicht verschärfen wird. Die einzige Erfahrung, die ich dazu kenne, ist Italien, wo eine verpflichtende Impfung im Gesundheitsbereich eingeführt wurde. Weniger als ein Prozent der Beschäftigten wurde – Großteils kurz – suspendiert, weil sie nicht geimpft waren. Den meisten Leuten ist letztlich der Arbeitsplatz wichtiger.

STANDARD: Und dass sich beispielsweise Pflegekräfte wegen der Impfpflicht umorientieren?

Kopf: Hier habe ich nur anekdotische Evidenz und keine nennenswerten Zahlen, die dieses Phänomen untermauern würden. Es gibt diese Fälle, aber das ist meist kein singulärer Zusammenhang, sondern eine Verkettung mehrerer Faktoren. Die sind zum Beispiel sowieso schon unzufrieden oder halten die Arbeitsbelastung nicht mehr aus – dann kommt die Impfpflicht noch dazu.

STANDARD: Wie schätzen Sie die Situation für ausländische Arbeitskräfte ein – könnte da die Impfung eine Herausforderung sein, etwa bei Erntehelfern oder mobilen Pflegerinnen?

Kopf: Bestimmt. Viele der 24-Stunden-Pflegerinnen zum Beispiel sind aus Rumänien, und nach Aussagen der Caritas ist ungefähr nur jede Zweite davon geimpft. Wer aber für seine Mutter eine Pflegerin will, will eine geimpfte. Gleichzeitig gibt es Familien, die eine Ungeimpfte akzeptieren, weil der Mangel so groß ist. Im Bereich der Landwirtschaft arbeiten die Leute in der Regel im Freien, da ist die Notwendigkeit natürlich anders. Im Tourismus in der Saisonbeschäftigung ist es aber schon ein Thema, immer mehr Arbeitgeber legen darauf Wert. Es hängt immer davon ab: Was ist das für ein Arbeitsplatz und wie groß ist meine Personalnot?

STANDARD: Wer arbeitslos gemeldet ist und einen Job wegen fehlender Impfung ablehnt, dem kann das Arbeitslosengeld gesperrt werden. In wie vielen Fällen ist das bisher passiert?

Kopf: Ich kann nicht nur nach diesem Grund auswerten. Aber wir kennen die Fälle – und es sind österreichweit nicht mehr als zwei Dutzend. Das sind dann Leute, die wirklich überzeugt davon sind, dass die Impfung gesundheitlich gefährlich ist – und diese Ablehnung auch kundtun. Das Thema wird stärker diskutiert, als es in der Realität tatsächlich Thema ist. Und ich denke auch, dass die Omikron-Welle die Frage nach der Impfung entschärfen wird. Denn so, wie es aussieht, werden ja sehr viele Menschen zumindest für sechs Monate durch eine Ansteckung dann immunisiert sein.

STANDARD: Und welche Chancen sehen Sie insgesamt für den Arbeitsmarkt 2022?

Kopf: Die Prognosen sind sensationell: Sie versprechen fünf Prozent Wirtschaftswachstum – das ist wie in den Siebzigern. 2022 wird das Jahr der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir werden ganz viele Branchen sehen, die sich unglaublich bemühen müssen, um Arbeitskräfte zu finden. Da geht es um Abwerben, Konkurrenz zwischen den Branchen, Arbeitszeit, Vereinbarkeit, Kinderbetreuung. Der Markt wird drehen – zumindest bei den Qualifizierten – in Richtung eines Arbeitnehmermarkts. (Selina Thaler, 13.1.2022)