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Auch in Spanien hat die Schule wieder begonnen – und das direkt zu Beginn der sechsten Welle.

Foto: REUTERS/Susana Vera

Alle Jahre wieder … kommt der Kollaps des spanischen Gesundheitssystems. Trotz einer Impfquote, die mit 90,4 Prozent bei den über Zwölfjährigen so hoch ist wie sonst kaum wo in der Europäischen Union, trifft die Omikron-Welle das Land auf der Iberischen Halbinsel hart. Am Dienstag vermeldete das Gesundheitsministerium erstmals eine Inzidenz von über 3.000 Neuinfektionen in den letzten 14 Tagen bei 100.000 Einwohnern. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 1.462. Im aktuellsten Covid-Bericht des Gesundheitsministeriums wurden 247 Todesfälle mehr gezählt als am Vortag. Insgesamt starben in Spanien bisher knapp über 90.000 Menschen an Covid.

Und es ist kein Ende der Steigerung in Sicht. Denn bis zum vergangenen Wochenende waren in Spanien Weihnachtsferien. Heiligabend, Silvester, Dreikönigstag: Die Familienfeiern und Treffen im Freundeskreis nahmen kein Ende. Das Virus lauerte überall.

Seit Beginn der Pandemie wurden in Spanien 7,6 Millionen Covid-Fälle festgestellt. Mehr als 1,5 Millionen allein in den letzten zwei Wochen. Mittlerweile stecken sich über 90 Prozent mit der Omikron-Variante an, die sich schneller verbreitet als alle Virusmutationen zuvor.

Gesundheitszentren überfordert

Die Folgen: Die Gesundheitszentren, die in Stadtteilen und Dörfern die Grundversorgung übernehmen, sind völlig überlastet. Wer im Selbsttest eine Covid-19-Infektion festgestellt hat, kommt telefonisch nicht durch. Auf den Straßen vor den Zentren und auch vor den Notaufnahmen der Krankenhäusern bilden sich lange Schlangen. Wer per App um einen Termin bittet, wird von einer Krankenschwester angerufen, allerdings erst nach einer mehrtägigen Wartezeit. Dann kommt der Rat: "Wenn Sie Atembeschwerden bekommen sollten, rufen Sie an." – Jene Telefonnummern, bei denen eh nicht abgehoben wird.

Auch wenn bei vielen die Krankheit relativ glimpflich verläuft, kommen die Krankenhäuser unter Druck. Die Welle ist einfach zu groß. In 26 der 52 spanischen Provinzen machen Covid-Kranke wieder mehr als ein Viertel aller Intensivpatienten aus. Ein Trost bleibt: Vor einem Jahr, ohne Impfung, waren bei wesentlich weniger Fällen die Intensivstationen doppelt so stark belegt.

Nächtlicher Lockdown

Trotz der aktuellen Covid-Welle, der sechsten in Spanien, wurden über Weihnachten – außer einer generellen Maskenpflicht – kaum neue Beschränkungen eingeführt. Zwar wurden in einigen Regionen nächtliche Ausgangssperren verhängt, allerdings erst von irgendwann nach Mitternacht bis sechs Uhr in der Früh. In anderen Regionen, wie etwa Madrid, waren selbst Großveranstaltungen zu Silvester legal. Nichts sollte dieses Jahr das Weihnachtsgeschäft behindern.

Die Zentralregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez lockerte gar einige Bestimmungen. So wurde die Quarantäne von zehn Tagen auf sieben verkürzt, sollte die Ansteckung keine Symptome hervorrufen. Damit der Schulbetrieb nicht völlig zusammenbricht, werden künftig nur noch die Klassen komplett in Quarantäne geschickt, die mehr als fünf Fälle melden. Bisher genügte ein Fall.

Spanienweit sind – laut der größten spanischen Gewerkschaft CCOO – sechs Prozent aller Lehrer krankgeschrieben. In der Hauptstadtregion sind es 15 Prozent, in den Vor- und Grundschulen fehlen in einigen Stadtteilen gar bis zu 40 Prozent.

Regierungschef Sánchez erklärte in einem Radiointerview, dass sich die Gesundheitsbehörden auf ein neues Szenario einstellen würden. Es zeichne sich "die Entwicklung des Coronavirus zu einer endemischen Krankheit" ab. Er sprach sich deshalb gegen weitere staatliche Beschränkungen aus. "Wir müssen mit neuen Instrumenten reagieren, die stärker mit Impfungen und Selbstschutz verbunden sind", sagte Sánchez. (Reiner Wandler aus Madrid, 12.1.2022)