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In Tianjin im Nordosten des Landes stehen die Bewohner in der Schlange, um sich zu testen. Flüge und Busverbindungen sind gestrichen.

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Chinas Zero-Covid-Strategie wird durch die Omikron-Variante immer mehr an ihre Grenze gebracht. Derzeit trifft es vor allem die Millionenstadt Tianjin hart. Am Dienstag wurden dort insgesamt 97 Menschen positiv auf Covid-19 getestet. In der Volksrepublik reicht das aus, um die Stadt in einen Alarmzustand zu versetzen: Alle Busverbindungen und 97 Prozent der Flüge wurden gestrichen. Tianjin ist ein Wirtschaftszentrum rund 100 Kilometer südöstlich von Peking. 13 Millionen Menschen leben dort.

Ähnliches spielt sich gerade in Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan, ab: Hier wurden alle Kindergärten und Schulen bis auf weiteres geschlossen, weil man bis Dienstag 103 positive Fälle identifiziert hatte. Und auch in Schanghai kam es zu Massentests in einem Stadtviertel.

Derzeit gelten strikte Ausgangssperren für die Bewohner von drei Millionenstädten in China. In Anyang in der Provinz Henan wurde ein Lockdown für 5,5 Millionen Menschen verhängt, nachdem zwei Bürger positiv getestet worden waren. Seit einer Woche gilt ein Lockdown in Yuzhou, ebenfalls in der Provinz Henan, mit 1,1 Millionen Einwohnern.

Seit drei Wochen zu Hause

Am härtesten aber trifft es die Bürger von Xian. Dort sind 13 Millionen Menschen seit nun über drei Wochen in ihren Wohnungen eingesperrt. Bereits mehrere Male mussten sich alle Einwohner auf das Virus testen lassen. Zuletzt wurden 2.000 positive Fälle gemeldet. Die Krankenhäuser sind mittlerweile dazu angehalten, alle Patienten zu behandeln. Vor einer Woche hatten zwei hochschwangere Frauen ihre Kinder verloren, weil die Krankenhäuser sie wegen fehlender PCR-Tests abgewiesen hatten. Die Stadtverwaltung von Xian hat außerdem knapp 400 Quarantänelager für mehr als 40.000 Menschen errichten lassen.

Auch in Südchina, im Perlflussdelta, setzt man auf riesige Quarantänezentren: fensterlose Containerstädte für mehrere Tausend Menschen, die dort bis zu drei Wochen isoliert verbringen müssen. Die Kosten müssen die Reisenden selbst tragen. Wie viele Menschen sich derzeit in diesen Quarantänezentren befinden, ist unklar. Im Internet ist die Rede von mehreren Hunderttausend Menschen, es kursieren Aufnahmen von tristen Zuständen. Die wenigen Ausländer, die derzeit nach China reisen, bekommen davon wenig mit: Sie werden meist in luxuriösen Fünfsternehotels mit Meerblick untergebracht.

Gleichzeitig versichern die Behörden, dass die Olympischen Winterspiele wie geplant stattfinden können. Dafür hat die Regierung einen "closed loop", einen geschlossenen Kreislauf, entwickelt. Damit soll sichergestellt werden, dass die ausländischen Athleten zu keinem Zeitpunkt mit der chinesischen Bevölkerung in Kontakt kommen.

Wirtschaft betroffen

Die Lockdowns in China dürften auch Auswirkungen auf das chinesische Wachstum und die Weltwirtschaft haben. Die Investmentbank Goldman Sachs senkte am Dienstag ihre Wachstumsprognose für China von 4,8 Prozent auf 4,3 Prozent. Weil große Containerhäfen wie jener von Ningbo stillstehen, kommt es zu Störungen des internationalen Warenverkehrs, was oft starke Preisanstiege zur Folge hat.

In China ist man sich bewusst, dass die Omikron-Variante wesentlich mildere Verläufe annimmt. Allerdings hält die chinesische Regierung an ihrer Zero-Covid-Strategie fest. Wie die westlichen Impfstoffe verhindern auch die chinesischen Vakzine keine Ansteckung, sondern schützen bestenfalls vor schweren Verläufen.

Weil man aber von Anfang an darauf gesetzt hatte, das Land von der Außenwelt abzuschirmen und das Virus auszurotten, konnte sich eine natürliche Immunität innerhalb Chinas nie entwickeln. Die meisten der in Tianjin positiv getesteten Personen waren doppelt geimpft. Weil aber Omikron nicht so gefährlich sei, wolle man in Zukunft bei der Behandlung vermehrt auf die traditionelle chinesische Medizin setzen, sagt Zhang Boli, ein Topmediziner der Regierung, am vergangenen Dienstag auf einer Pressekonferenz. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 12.1.2022)