Als einer, der beim Unglück der Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio vor genau zehn Jahren an Bord war, muss ich diesen Kommentar aus einer persönlichen Perspektive schreiben.

Vor zehn Jahren verursachte der Kapitän des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia eine Havarie.
Foto: EPA/MASSIMO PERCOSSI

Selbst nautisch geschult und erfahren, war ich mir in dieser Nacht, als das Kreuzfahrtschiff bereits evakuiert wurde, immer noch sicher, dass meine Frau und ich bald wieder in unserer Kabine liegen werden. Es kann alles nur halb so schlimm, die Evakuierung nur eine Vorsichtsmaßnahme sein. Ich entschied mich daher, den verängstigten und zum Teil gebrechlichen Menschen in die Rettungsboote zu helfen, statt meine Frau in Sicherheit zu bringen. Damit habe ich rückblickend ihr Leben gefährdet.

Rund um mich halfen fast ausschließlich unterbezahlte Servicekräfte des Schiffes bei der Evakuierung. Von der gutbezahlten Crew in ihren weißen Uniformen war kaum jemand zu sehen. Was ich nicht wusste: Als wir im vorletzten Rettungsboot ablegten, machten sie nicht schon wieder die Maschinen fit, sondern waren schon längst an Land.

Ein Seemann verlässt sein sinkendes Schiff als Letzter: Das gehört mit zu den ersten Regeln, die man in einer nautischen Ausbildung lernt. Das Verhalten der uniformierten Crew bei diesem Unglück ist bis heute unvorstellbar.

Es waren die Ärmsten der Besatzung und die in der Nacht völlig überrumpelten Inselbewohner, die alles gaben und so viele Leben retteten. Sie sind die Helden dieser Tragödie. (Guido Gluschitsch, 13.1.2022)