Im Libanon traf Außenminister Schallenberg unter anderen seinen Amtskollegen Abdallah Bou Habib und versuchte der Regierung ins Gewissen zu reden.

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"Die Elite muss beweisen, dass sie dieses Volk verdient" – sie allein habe es in der Hand, sich und den Libanon aus dem Sumpf zu ziehen und die Klientelpolitik hinter sich zu lassen: Außenminister Alexander Schallenberg hat sich den dritten und letzten Tag seiner Libanon-Reise aufgehoben, um seine Botschaft an die Politik des Landes zu überbringen. "Helft uns, euch zu helfen", sagte er am Mittwoch in Beirut. Die Botschaft entspricht – teils sogar wortwörtlich – jener von Uno-Generalsekretär António Guterres, der im Dezember die Führung dazu aufrief, ihrer Bevölkerung gerecht zu werden.

Es ist kein Zufall, dass das kleine Mittelmeerland zwischen Syrien und Israel zurzeit einen hochrangigen Besuch nach dem anderen bekommt. Die Wirtschaftskrise hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: 80 Prozent der Libanesen leben nun unter der Armutsgrenze, das Durchschnittseinkommen wird inzwischen umgerechnet auf nur mehr rund 27 Euro im Monat geschätzt – so viel kostet hier auch einmal Volltanken. 2018, vor der Wirtschaftskrise und der Hyperinflation, lagen die Gehälter noch bei mehreren Hundert Euro. Und trotzdem tagt die neue Regierung schon seit Oktober nicht mehr.

Grund ist vor allem der Streit über die verheerende Hafenexplosion vom August 2020: Das schiitische Lager, bestehend aus Hisbollah und der mit ihr verbündeten Regierungspartei Amal, verlangt, dass der Untersuchungsrichter, der einen schiitischen Politiker festnehmen lassen wollte, abgesetzt wird.

Verbrannte Überreste

Vor den Treffen mit dem christlichen Präsidenten Michael Aoun, dem sunnitischen Premier Najib Mikati und dem Shiiten Nabih Berri – von ihnen forderte er ein Ende der "Lethargie" – besichtigte Schallenberg das Hafenareal. Dort schwimmen immer noch umgekippte Schiffe im Becken, es liegen tonnenweise abgebrannte Metallreste herum.

Vor seinem Amtskollegen Abdallah Bou Habib sprach Schallenberg davon, wie sehr es ihn schmerze, dieses "wunderbare Land in diesem Zustand" zu sehen. Es ist nicht sein erster Besuch im Libanon: Schallenberg war 2013 als Sprecher von Ex-Außenminister Michael Spindelegger hier.

Hoher Stellenwert

Dass ihn der erste Besuch im neuen Jahr nach Beirut führt, soll laut Schallenberg zeigen, welchen Stellenwert ein funktionierender Libanon für Österreich hat. Grund für das Datum ist aber vor allem der vergangene Lockdown, weswegen die im Dezember geplante Reise verschoben wurde.Dennoch: Aufgrund seiner Nähe zum Schengenraum und der mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge ist die Stabilität im Land und der Region für Schallenberg im Eigeninteresse Österreichs und der EU. "Wir sind bereit zu helfen", das betonte er mehrfach auf seiner Reise.

Er erinnerte daran, dass die EU im Sommer den Druck erhöht und sich auf einen Rahmen für Sanktionen gegen die politische Führung verständigt hat, sollte sie säumig bleiben. Denn Hilfen könnten erst fließen, wenn die Regierung Reformen umsetze. Gemeint sind Bedingungen des Internationalen Währungsfonds. So muss sich etwa die Zentralbank, die am Kollaps wohl nicht unbeteiligt ist, einer Prüfung stellen. Bou Habib stellte in Aussicht, dass es im Februar so weit sein könnte. Beobachter bezweifeln das. Die Zeichen verdichten sich aber, dass sich das Kabinett kommende Woche erstmals wieder zusammensetzen könnte.

Abwärtsspirale

Auch die geplanten Parlamentswahlen im Mai erhöhen den Handlungsdruck. Die Lage wird von Tag zu Tag schlimmer: Seit Neujahr hat die Lira weitere 15 Prozent ihres Wertes verloren – seit 2019 sind es rund 95 Prozent. Das führte neuerlich zu einem Preisansteig für Sprit. Aus Protest wurden am Dienstag vielerorts Reifen angezündet, auch in Baalbek, wo der Minister ein Flüchtlingscamp besichtigte. Ein weiterer Programmpunkt auf Schallenbergs Reise war der Besuch der österreichischen UN-Truppen im Südlibanon: Dort sind – anders als im Rest des Landes – 100 Prozent der Österreicher geimpft und Corona-negativ. Sie tragen dazu bei, die Südgrenze zu Israel abzusichern. (Flora Mory aus Beirut, 12.1.2022)