Der Standort der Straßenbahnremise der Holding Graz soll großzügig ausgebaut werden. Architekten fordern eine bessere urbane Nutzung dieses wertvollen innerstädtischen Areals.

Foto: Google Maps

Ein großes, städtebaulich hochinteressantes, knapp 45.000 Quadratmeter großes Areal mitten im Grazer Innenstadtbezirk Jakomini, auf dem seit Jahrzehnten die Straßenbahnremise betrieben wird, soll für 156 Millionen Euro ausgebaut und modernisiert werden. Es soll vor allem auch Platz für die von der Holding Graz bestellten längeren Straßenbahngarnituren geschaffen werden.

Das Bauprojekt, das noch in der Ära von Altbürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) konzipiert wurde, ist bereits auf Schiene und sollte eigentlich Anfang 2022 gestartet werden. Die neue rot-grün-rote Rathauskoalition steigt jetzt aber auf die Bremse und will das Vorhaben noch einmal genauer prüfen. Zu wertvoll scheint diese Stadtfläche inmitten alter Wohnbereiche zu sein, um sie als reine Remise für die Straßenbahnen zu nutzen. Druck, hier noch Grundlegendes zu verändern, kommt vor allem auch aus der Architekturszene. Diese verlangt in einer Petition, das Millionenprojekt "Straßenbahnbetriebshof" solle noch mal überdacht und abgeändert werden, da es eben nur "monofunktional" ausgelegt sei und keine weiter reichende urbane Nutzung beinhalte.

Enormes Potenzial

Internationale Beispiele wie etwa das Projekt Kalkbreite in Zürich zeigten eindrucksvoll mögliche multifunktionelle Nutzungen derartiger innerstädtischer Betriebsanlagen auf, sagt die steirische Präsidentin der Zentralvereinigung der Architekten, Birgit Schiretz. "Ich denke, es ist ganz wichtig zu begreifen, welch enormes Stadtentwicklungspotenzial in diesem innerstädtischen Areal liegt. Es muss einfach größere Überlegungen geben als diese rein wirtschaftliche Betrachtung über den Bau einer Remise", sagt Schiretz im STANDARD-Gespäch.

"Wir fordern den Stopp und Neustart des laufenden Verhandlungsverfahrens Ausbau Straßenbahnbetriebshof", heißt es nun in der Petition, die von der Zentralvereinigung der Architekten, dem FH-Joanneum-Masterstudiengang Architektur, dem Forum Stadtpark, mehreren Architekturvereinigungen und entsprechenden Wohn- und Städtebauinstituten der technischen Universität getragen wird.

Das Areal soll, so die Initiative, neben den Notwendigkeiten für den Straßenbahnbetrieb konkret auch die "Potenziale für Grünraum, Wohnraum, Arbeitswelten und diverse zusätzliche urbane Möglichkeiten" heben, mit dem Ziel, das Stadtgebiet der Remise baulich und sozial besser in den urbanen Kontext des Bezirks einzubinden. Der Architekt Fabian Wallmüller, ein Mitinitiator der Petition, schlägt in diesem Sinne etwa eine Überbauung der Remise vor, was großflächige Möglichkeiten des Wohnens und der Freizeit böte.

Holding-Chef ist gesprächsbereit

Die zuständige grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner steht ganz auf der Seite der Architekturszene. Aber: Die Verfahren seien schon weit vorangeschritten, und die Sachlage sei in hohem Maße komplex.

Der Boden sei mit Altlasten kontaminiert, eine Überbauung sei technisch schwer möglich und würde die Kosten enorm in die Höhe treiben. "Dazu kommt, dass der Ausbau dringlich ist, denn die neuen Straßenbahngarnituren müssen untergebracht werden", gibt Schwentner zu bedenken. "Eine multifunktionale Gestaltung des Areals wäre voll in meinem Interesse", aber die Sachlage sei "wirklich extrem komplex".

"Wir werden aber versuchen, noch das Beste rauszuholen, und einige spannende Elemente einbringen. Vor allem was eine Begrünung und eventuelle Dachnutzung angelangt", sagt Schwentner zum STANDARD.

Holding-Chef Wolfgang Malik zeigt sich offen – zumindest für Adaptierungen: "Eine Absiedelung der Remise ist nicht möglich, wir wollen die Vorschläge und Anregungen der Architekten und der Vizebürgermeisterin Schwentner aber in die Pläne einbetten und versuchen, das Projekt noch zu adaptieren." Für den nördlichen Teil des Areals, die Ausbaustufe zwei, liege die Sache ganz anders. Hier werde von Anbeginn nach städtebaulichen Maßstäben ein neues Bebauungskonzept erarbeitet, versprechen Schwentner und Malik. (Walter Müller, 13.1.2022)