Foto: Fabrizio De Rossi

Behäbig und schwerhörig wälzte sich die wandelnde Festung namens Struthiosaurus austriacus einst durch die Lande. Zu diesem Schluss kam eine neue Studie der Universität Wien: erstmals wurde dabei mit Hilfe der Computertomographie in den Hirnschädel des einzigen österreichischen Dinosauriers geblickt. Weder ein wendiger Räuber à la Velociraptor, noch ein respekteinflößender Koloss wie T.rex, zählt er nicht zu den bekanntesten Stars der Prähistorie. Vielmehr macht ihn seine Statur zum krassen Gegenteil des Hollywood-Klischees der flinken, durchtriebenen Killermaschine. Trotzdem ist der verhältnismäßig kleine Dino – einem erwachsenen Mann würde er etwa bis zum Nabel reichen – ein Unikat, besonders aus patriotischer Sicht. Manch einer wäre wohl versucht "Wir sind Dinosaurier" zu skandieren, handelt es sich bei diesem Vertreter der Riesenechsen doch um ein österreichisches Urgestein.

Wo heute die niederösterreichische Ortschaft Muthmannsdorf liegt, trottete der bis zu vier Meter lange Saurier durch die Sumpflandschaft der Kreidezeit. Manches Exemplar fand dort vor rund 80 Millionen Jahren denn auch seine letzte Ruhestätte. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Totenruhe allerdings gestört: 1859 besuchten der Geologen Ferdinand Stolicka und Eduard Suess das Kohlebergwerk "Gute Hoffnung", um nach urzeitlichen Pflanzenresten zu suchen. Dabei stießen sie auf den Zahn eines Dinosauriers. Es folgten gezielte Grabungen, bei denen unter anderem das liebevoll "Struthi" genannte Urreptil freigelegt wurde.

"Struthi" war nicht sonderlich groß, wie die Darstellung zeigt. Mit im Bild der Fundort und eine Innenansicht des Gehirnschädels.
Foto: Sebastian Stumpf & Marco Schade

Dank dieser Funde konnten sich Forschende der Uni Wien nun in den Kopf des Sauriers begeben. Die Analyse des gut erhaltenen Gehirnschädels sowie des Innenohrs verrät erstmals Details über des Dinos Lebensweise. So fristete der Pflanzenfresser ein Dasein, das von Schwerhörigkeit und eingeschränkter Mobilität geprägt war. Struthiosaurus austriacus bewegte sich behäbig, rasche Flucht war selbst bei Lebensgefahr ein Ding der Unmöglichkeit. Anders als seine mit Schwanzkeulen schwer bewaffneten Verwandten, die ihre Waffen mit einer Flocculus genannten Hirnregion steuerten, dürfte "Struthi" nicht über diese Verteidigungsstrategie verfügt haben. Sein rund fünf Zentimeter großes Gehirn ließ die dafür nötigen Kapazitäten vermissen.

Dieses Manko glich er mit seiner imposanten Rüstung aus. Bei der Selbstverteidigung verließ er sich wohl auf die passive Wirkung dieser Panzerung. Struthiosaurus austriacus gehört zur Gruppe der Ankylosaurier. Sie alle stampften auf kurzen, kräftigen Beinen durchs Leben, ihre Körper waren durch massive Knochenplatten geschützt. "Struthi" war darüber hinaus mit langen Stacheln im Hals- und Schulterbereich bewehrt. In einer Welt riesiger Räuber für vegetarisch lebende Zeitgenossen ein bedeutender Vorteil. Als ein Asteroid der Dinosaurierwelt ein jähes Ende bereitete, hatte er trotzdem keine Chance. (Marlene Erhart, 12.1.2022)