Halle für alle: Der neue Newsroom für alle ORF-Medien mit einem schmucken Erlenwald im Lichthof – auf diesem Foto vom Sommer 2021 noch in Bau. Ab Sommer 2022 informieren hunderte ORF-Redakteurinnen und -Redakteure aus der Halle.

Foto: APA/ORF/Roman Zach-Kiesling

Wien – Mit Mai 2022 sollen die bisher getrennt geführten Redaktionen von TV, Radio und Online beim ORF organisatorisch zusammengelegt werden und eine gemeinsame Führung bekommen, wenn sie in den neuen, großen Newsroom auf dem Küniglberg ziehen. Wie diese größte und publikumsstärkste Redaktion des Landes geführt wird, hat noch der ehemalige ORF-General Alexander Wrabetz entworfen – wohl abgesprochen mit seinem Nachfolger Roland Weißmann.

Der Entwurf ist noch nicht fixiert, noch stehen Gespräche mit Redakteurs- und Betriebsrat aus, die sogenannte Organisationsanweisung ist nicht in Kraft. Aber sie zeigt sehr genau, in welchen Strukturen hunderte ORF-Journalistinnen und -Journalisten den Newsroom besiedeln werden.

ORF-News in die Generaldirektion

In der ORF-Generaldirektion, zu der schon in den vergangenen Jahren die TV-Information ressortierte, soll eine neue Hauptabteilung ORF-News geschaffen werden für alle ORF-Kanäle, also TV, Radio und Fernsehen.

Diese Hauptabteilung bekommt drei Chefredakteure oder Chefredakteurinnen – jedenfalls zum Start voraussichtlich eine Männerriege: Matthias Schrom (TV), Hannes Aigelsreiter (Radio) und Christian Staudinger (Online) gelten als wahrscheinliche Besetzung. Die drei Chefredakteure sollen sich selbst eine Geschäftsordnung für die Zusammenarbeit geben, können Fachgebiete aufteilen, die Geschäftsordnung muss aber der Generaldirektor abnicken.

"Im Rahmen der journalistischen Unabhängigkeit weisungsfrei"

Dem Generaldirektor – immerhin laut Gesetz der Alleingeschäftsführer des größten österreichischen Medienkonzerns – unterstehen die drei Chefredakteure disziplinär. "Fachlich sind die Mitglieder der Chefredaktion im Rahmen der journalistischen Unabhängigkeit weisungsfrei, darüber hinaus fachlich dem/der Generaldirektor/in unterstellt", heißt es im Entwurf.

Der General entscheidet im Newsroom-Board

Fachlich sucht die entworfene Organisationsanweisung aber eine etwas breitere Verantwortung: Diese Entscheidungskompetenzen überantwortet der Entwurf einem "Newsroom-Board". Neben dem General sollen ihm der ORF-2-Channel-Manager (derzeit: Alexander Hofer), die Radiodirektorin (Ingrid Thurnher) und ein Onlineverantwortlicher (derzeit offenbar interimistisch Technikdirektor Harald Kräuter, der die Führung von Thomas Prantners Hauptabteilung TO übernommen hat) angehören. Das Board soll laut Entwurf mit einfacher Mehrheit entscheiden – bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Generals. Gegen ihn kann das Board ohnehin laut Entwurf nicht entscheiden.

Die drei sind laut Entwurf gleichberechtigt, sind gemeinsam – disziplinär und fachlich – Vorgesetzte der Leiter oder Leiterinnen des neuen, zentralen und für die rascheste Nachrichtenproduktion gewichtigen Newsdesks, der multimedialen Fachressorts Innenpolitik, Ausland und EU, Wirtschaft, Chronik und Wetter.

Die Leiter der Sendungsteams und Plattformteams – als Beispiele nannte der bisherige ORF-Chef etwa "ZiB 2" und Radio-"Journale" – sind jeweils dem für das Medium – TV, Radio, Online – zuständigen Chefredakteur fachlich und disziplinär unterstellt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Newsdesk, Ressorts, Sendungs- und Plattformteams sind fachlich deren Leitern unterstellt, disziplinär ist ihr Vorgesetzter aber die Dreier-Chefredaktion gemeinsam.

Nachrichtenmaschine Newsdesk

Der zentrale Newsdesk für alle ORF-Medien bekommt laut Entwurf eine Fülle von Aufgaben, er wird zur Schaltstelle für die gesamte aktuelle Information. Den ORF-Stiftungsräten kündigte Wrabetz im Frühjahr 2021 an, dass dieser Bereich 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen soll, in den Fachressorts inklusive Wetter ging er von 128 aus.

Der Newsdesk soll aktuelle Radio- und TV-Informationssendungen und Online-Infoangebote für alle Plattformen und Social Media produzieren, "wenn dafür keine Sendungsteams eingerichtet sind". Aber auch für die soll er "einzelne aktuelle Beiträge" herstellen. Er sichtet Agenturmaterial, Social Media und User-Content, ist zuständig für die Überprüfung von Inhalten und stellt sie bereit für "alle Dienststellen" der dann vereinten ORF-Information. Er ist zuständig für Breaking News und deren Inhalte, auch mit Liveteams. Der Newsdesk soll auch für den – als eigene Firma organisierten – Spartenkanal ORF 3 News liefern.

Die umfassenden Aufgaben des Newsdesks sorgen in der ORF-Information für Bedenken über die inhaltliche Vielfalt des Angebots; in der Radio- und der Onlineinformation des ORF über die Eigenständigkeit und Position im gemeinsamen Newsroom mit der großen TV-Information.

Betriebsräte und Redakteursräte des ORF hoffen auf erweiterte Mitbestimmungsrechte in einem neuen Redakteursstatut im Gegenzug für eine Zustimmung zur Neuorganisation.

ORF-General Weißmann und sein Team präsentieren sich am Donnerstag der Belegschaft, der Newsroom und seine Organisation könnten zu einigen Fragen anregen. Weißmann stellt sich am Nachmittag auch Fragen anderer Medien in einem Pressegespräch. (fid, 13.1.2022)