Das Oberschützener "Anschlussdenkmal" steht im Zentrum einer neuen "Heimatkunde".

Foto: Gemeinde Oberschützen

Wer von Bad Tatzmannsdorf kommt, sieht, noch bevor es hinuntergeht nach Oberschützen, linker Hand einen merkwürdigen, tempelartigen Bau. Ein aus Bruchstein errichteter Säulenhof ist das. Errichtet wurde dieses Gebäude unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs ans Hitlerreich. Seit man 1945 den goldenen Reichsadler entfernt hat, ist der Tempelhof leer. Immer noch nennt man es "Anschlussdenkmal". Und als solches steht es seit 1945 als zweckloses Ärgernis in der Landschaft.

Versuche, damit umzugehen, hat es schon viele gegeben. Sogar das so modern gewordene "Weg damit" war im ernsthaften Gespräch. Der im Vorjahr verstorbene rote Landtagspräsident Walter Prior, ein Freund eher klarerer Worte, hat dem STANDARD einst versichert, eigenhändig die Steine wegtragen zu wollen.

Die andere Position hat sich durchgesetzt. Der seit 2016 amtierende ÖVP-Bürgermeister Hans Unger hat 2018 einen breiten Diskussionsprozess gestartet. Die Historikerin Ursula Mindler-Steiner hat diesen wissenschaftlich, der einstige ORF-Journalist Walter Reiss als Moderator begleitet.

Evangelisches Erbe

Unlängst erschien dazu im Verlag Lex Liszt 12 ein die Debatte dokumentierendes Buch. Das gibt es, kostenlos, für alle Haushalte Oberschützens. Auch alle Gemeinden und Büchereien im Bezirk Oberwart werden beliefert. Vor allem aber die Schulen.

In Oberschützen steht immerhin Burgenlands ältestes Gymnasium. Eine evangelische Bildungseinrichtung war das stets. Und weil die Evangelischen nach dem Anschluss des Burgenlandes an Österreich 1921 heimatlos waren im politischen Zwist zwischen den katholischen Christsozialen und den agnostischen Sozialdemokraten, waren viele sehr überzeugte Großdeutsche bis hin zur bitteren Konsequenz. Dass dieses Anschlussdenkmal – in dieser Form einzigartig in Österreich – hier steht, ist also kein Zufall.

Die Option des Wegräumens wurde bewusst nicht gewählt. Denn, sagt Ursula Mindler-Steiner, wie immer man zu diesem Bau stehen möge, er sei eben "Teil des kulturellen Erbes der Region", das den Ort und seine Bevölkerung geprägt habe und weiterhin präge. Das bloße Wegräumen, meint auch der Bürgermeister, wäre eine Art Unter-den-Tisch-Fallenlassen gewesen.

Langfristige Pacht

Als sein Vorgänger sich mit den Grundbesitzern auf eine langfristige Pacht geeinigt hatte und das Bundesdenkmalamt den Bau unter Schutz gestellt hatte, war klar, dass etwas gemacht werden musste. Ab 2018 startete die breite Bürgerdiskussion. Das Anschlussdenkmal wurde vom Stein des Anstoßes zum Gesprächsstoff. Viele Rückmeldungen hätten Hans Unger gezeigt, "dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben". Der Künstler und Ausstellungsgestalter Andreas Lehner wird nun das Anschlussdenkmal "zum Denk-, Informations- und Lernort" gestalten.

Gottfried Wurm, bis zum Vorjahr Direktor des Gymnasiums, schreibt allen Denkmalstürzern ins Stammbuch: "Dinge wie dieser Bau sind nicht nur dazu da, dass man sie zuschlägt wie ein Buch und weglegt, sondern dass man sie aufschlägt und darin liest. Dieser Bau hat Zukunft, weil er die Vergangenheit aufarbeiten wird." (wei, 13.1.2022)