Die Gruppe bei einer Corona-Demonstration.

Foto: Gaigg

Es waren irritierende Worte, die Polizeibeamte am Dienstag an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Rahmen eines offenen Briefs richteten: Der Innenminister solle sich nicht nur gegen die Impfpflicht starkmachen, sondern auch die Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften innerhalb der Polizei beenden und die 3G-Regel abschaffen. Im Zusammenhang mit der Impfung wurden Begriffe wie "Gentherapeutika" verwendet. Und: Corona-Demonstranten wolle man nicht länger "drohend gegenüberstehen".

600 Beamte sollen angeblich hinter diesem Brief stehen, hieß es seitens der Gruppe "Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte", die auch schon mehrmals auf Demos gesichtet wurde. Überprüfen lässt sich das aber nicht, Namen der Unterstützer wollen die Initiatoren nicht vorlegen. Offiziell unterschrieben haben lediglich drei Personen. Einer ist Johannes Rochl, Polizist in Niederösterreich und Vorsitzender der FPÖ Laxenburg. Rochl stellt seine Gesinnung nicht nur durch seinen Aktivismus im offenen Brief zur Schau, sondern auch durch öffentlich einsehbare Facebook-Postings. So verbreitete er etwa ein Bild weiter, das Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres zeigt, darüber steht "bester Bauchspeck", darunter "vom österreichischen Drecksschwein".

Konsequenzen?

Zudem teilte Rochl einen Aufruf der "Bundesheergewerkschaft", deren Präsident 2020 aus der FPÖ ausgeschlossen wurde und die von sich selbst behauptet, vom Abwehramt des Bundesheers überwacht zu werden. Ebenso teilte Rochl ein Bild, auf dem dazu aufgerufen wurde, sich zu Silvester kurz vor Mitternacht in jeder Stadt und Gemeinde durch eine "Party am Hauptplatz" nicht auch noch diese "Tradition nehmen" zu lassen.

Rochls Aktivitäten könnten nun Konsequenzen nach sich ziehen. Der Sachverhalt werde intern geprüft, heißt es von der Landespolizeidirektion Niederösterreich zum STANDARD. Nähere Auskünfte seien während des Prüfverfahrens nicht möglich.

Rochl selbst betonte noch am Donnerstagvormittag, dass gegen ihn noch keine disziplinären Maßnahmen ergriffen worden oder ihm angedroht worden seien. Die Facebook-Postings will er nicht kommentieren, da sie sich auf seiner "privaten und persönlichen Facebook-Seite befinden" und es sich folglich um "eine private und persönliche Meinung" handle, die in keinerlei Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder dem offenen Brief stehe.

Ein anderer Unterzeichner, der Diakon und Polizeiseelsorger Uwe Eglau, sei – entgegen anderslautenden Gerüchten – nach wie vor als Polizeiseelsorger tätig, heißt es bei der LPD Wien. Eglau selbst war für den STANDARD nicht erreichbar.

Über Telegram vernetzt

Die "Gruppe" wiederum beantwortete eine Anfrage per Mail. Man beschwert sich, "ins rechte Eck gerückt" zu werden, da "einige unserer Gruppenmitglieder einen FPÖ-Hintergrund haben". Es gehe aber nicht um Parteipolitik, sondern um den "Zustand in Österreich". Es stünden zwar etwa 600 Beamte hinter dem Brief, eine Angabe zur Verteilung auf die Bundesländer sei aber nicht möglich, da man das selbst nicht wisse. Man habe sich über Telegram vernetzt, "dem vermutlich einzigen massentauglichen Messenger, der einen Schutz vor staatlicher Zensur und Kontrolle bietet". Den Polizeidienst werde man jedoch weiterhin objektiv versehen, auch wenn man einen innerlichen Konflikt habe. Rochl betonte im STANDARD-Gespräch am Dienstag allerdings, dass sich die Polizei aus der Durchsetzung von Corona-Maßnahmen "raushalten" solle.

Polizeigewerkschafter Reinhard Zimmermann (FCG) bezeichnete den Brief auf Puls 24 als "Riesenschwachsinn". Innenminister Karner reagierte am Mittwoch auf eine Frage von ORF-Redakteurin Simone Stribl zu Polizisten als Teilnehmern von Corona-Demos und dem offenen Brief folgendermaßen: "Das, was für die Bevölkerung gilt, gilt auch für Polizisten." Da, wo gegen Dienstvorschriften verstoßen werde, werde dies auch entsprechend geahndet. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit gelte auch für Polizisten in ihrer Freizeit.

FPÖ attackiert ORF-Redakteurin

Die FPÖ will in der Frage von Stribl Regierungspropaganda erkannt haben. FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker "erwartet sich vom neuen ORF-Generaldirektor Roland Weißmann ein klärendes Gespräch mit Redakteurin Stribl und eine öffentliche Entschuldigung für die Verunglimpfung der hunderttausenden Demoteilnehmer durch den ORF", wurde er in einer Aussendung zitiert.

ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom-Kux wies die Vorwürfe "entschieden zurück". Dass Stribl für die Ausübung ihres Berufs von einer Partei angegriffen werde, zeuge von einem bemerkenswerten Verständnis von Journalismus. Auch der ORF-Redakteursrat wehrte sich gegen eine "Einschüchterung durch die FPÖ". "Offenbar sollen bei Pressekonferenzen nur mehr Fragen gestellt werden, die der FPÖ genehm sind. Wer dagegen verstößt, wird – wie unsere Kollegin Simone Stribl – von der FPÖ gezielt eingeschüchtert und seine Arbeit verunglimpft", heißt es in einer Aussendung. Damit sei eine rote Linie überschritten worden. (Vanessa Gaigg, 13.1.2022)