Journalistin und Autorin Eva Maria Bachinger warnt in ihrem Gastkommentar vor einer Romantisierung der Leihmutterschaft.

Israel erlaubt die Leihmutterschaft nicht mehr nur für heterosexuelle Paare, sondern auch für homosexuelle Paare und Singles. Das sei im Sinne der Gleichstellung und ermögliche Familiengründung für alle. In Deutschland fordert die FDP die Freigabe der "altruistischen" Leihmutterschaft.

Angesichts dieser Entwicklung könnten wir nun überlegen, ob wir nicht wieder den Kinderhandel ("sale of children") erlauben sollten. Ändern wir einfach den Artikel 35 der UN-Kinderrechtskonvention: Dort ist festgeschrieben, dass jedes Kind das Recht hat, nicht gegen Geld gehandelt zu werden – egal zu welchem Zweck. Das könnte nun ergänzt werden mit dem Zusatz "mit Ausnahme: für einen guten Zweck" – wie etwa Gleichstellung, Familiengründung mithilfe einer Eizellenspenderin und Leihmutter oder auch für eine Adoption gegen Geld. Wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind: Wer hat dann noch das Recht, dagegen zu sein?

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Soll man den Kinderwunsch mittels Leihmutterschaft erlauben? Oder ist das ein falscher Weg?
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Ethische Normen wie jene in der Kinderrechtskonvention sind lästig und auch überholt. Sie leisten zwar Widerstand gegen die Verzweckung des Menschen, der niemals einen Preis haben darf, weil dies seiner Würde widerspricht. Doch: Wenn alles so wunderbar funktioniert und alle Beteiligten selbstbestimmt befinden, dass Leihmutterschaft nichts Verwerfliches ist. Einen Betroffenen kann man zwar erst später fragen, aber das soll unser Gewissen nicht weiter belasten. Das Kind kann froh sein, dass es überhaupt auf der Welt ist. Es ist doch nicht so wichtig, wie es zu dieser bestellten Schwangerschaft gekommen ist. Überhaupt: Wer kann sich schon aussuchen, unter welchen Umständen er oder sie das Licht der Welt erblickt?

Keine "Dienstleistung"

Die Definition von Kinderhandel zu ändern wäre jedenfalls ehrlicher, als so zu tun, als ob es bei der Leihmutterschaft nicht um einen geschäftlichen Deal gehen würde. Tatsache ist: Eine Leihmutter wird per Vertrag damit beauftragt, ein Kind auszutragen und zu gebären oder es sich mit einem Kaiserschnitt aus dem Leib nehmen zu lassen und an die Wunscheltern abzugeben. Den Großteil des vereinbarten Honorars bekommt sie nicht für die "Dienstleistung" Schwangerschaft, sondern wenn sie ein Kind "liefert", und das muss natürlich ein gesundes, nicht-behindertes Kind sein. Es zählt letztlich nicht die "Dienstleistung Schwangerschaft", sondern die "Qualität" des "Produkts" dieser "Dienstleistung".

Aber nein!, widersprechen hier Befürworter, so auch die deutsche FDP, wir sind doch nur für eine "altruistische Leihmutterschaft", wo natürlich kein Geld fließt und die Rechte der Leihmutter geschützt werden! Altruismus scheint bei der Leihmutterschaft wie sonst kaum bei einem Thema zentral zu sein. Selbstlosigkeit ist hier aber seltsamerweise verbunden mit oft hohen "Aufwandsentschädigungen" für die Leihmutter. Ändern wir also der Ehrlichkeit zuliebe auch die Definition von Altruismus. Gönnen wir somit auch sämtlichen Ehrenamtlichen in Sozialorganisationen, beim Bergrettungsdienst, im Hospiz, bei der Rettung und Feuerwehr in Zukunft hohe Aufwandsentschädigungen für ihren selbstlosen Einsatz.

"Es gibt wahrlich bessere Wege, eine Familie zu gründen, als mithilfe einer Leihmutter."

Wie es praktisch funktionieren soll, die Rechte einer Leihmutter gegenüber den Wunscheltern, Ärzten und Anwälten zu schützen, ist mir ebenso ein Rätsel wie die Tatsache, dass stets wenig über die Rechte von Kindern gesprochen wird, obwohl es hier zentral um Kinder geht.

Ich bin überzeugt: Es gibt wahrlich bessere Wege, eine Familie zu gründen, als mithilfe einer Leihmutter. Zum Beispiel mit den vielen, vielen Kindern, die schon da sind und dringend Eltern brauchen. Man kann sogar Teil einer Familie sein, ohne genetisch eigene Kinder zu haben. So viele Kinder und Jugendliche brauchen unsere Zuwendung, Anerkennung und Unterstützung, das ist ein weites, erfüllendes Betätigungsfeld für Menschen, die keine Kleinfamilie haben, dafür aber Zeit und Energie, um andere Familien zu unterstützen. Dazu ist man wohl aber erst fähig, wenn man sich mit der Tatsache der Kinderlosigkeit durch Unfruchtbarkeit oder durch das jeweilige Lebensmodell ausgesöhnt hat und das Potenzial und die Bereicherung sehen kann.

Großes Manko

Ein großes Manko bei dem Thema ist, dass man offizielle Statistiken über das Ausmaß von Leihmutterschaft lange suchen kann. Es gibt punktuell Studien über den Ablauf der Leihmutterschaft und die Folgen für die Kinder, aber es fehlen wirklich großangelegte, internationale Studien. Mein Eindruck ist jedenfalls nach mittlerweile langjähriger Beschäftigung mit dem Thema folgender: Es ist höchstwahrscheinlich nicht so, dass nette Frauen kinderlosen Paaren ihre Hilfe anbieten, weil sie eben mal mindestens neun Monate Zeit haben. Oder weil sie schon immer die Erfahrung machen wollten, wie das so ist, wenn man ein Kind mit vertraglich festgelegten Verhaltensweisen austrägt und dann abgeben muss, wenn man weder über einen Schwangerschaftsabbruch bei einem Ungeborenen mit Krankheit oder Behinderung selbstbestimmt entscheiden kann noch darüber, ob man einen Kaiserschnitt will oder nicht. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht so, dass die Leihmutter keinen Cent will, weil sie gut abgesichert ist und sowieso schon gut verdient.

Ich schenke den Verklärungen und Romantisierungen in einer egozentrischen, kapitalistischen Gesellschaft keinen Glauben. Mein Blick darauf ist nüchtern und realistisch. Die Leihmutterschaft in immer mehr Staaten zu erlauben ist sicher kein Fortschritt, den man bejubelt, sondern ein zivilisatorischer Rückschritt vor allem in Hinblick auf die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention. (Eva Maria Bachinger, 14.1.2022)