Der Aufwärtstrend der Wiener Börse sollte heuer laut den Analysten der Erste Group anhalten. Für neue Rekordstände wird es aber noch nicht reichen.

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Wien – Mit einem Kurszuwachs von fast 40 Prozent hat die Wiener Börse im Vorjahr die anderen Aktienmärkte weit hinter sich gelassen. Auf ähnlich starke Entwicklung sollten Anleger heuer zwar nicht unbedingt wetten, aber dennoch sehen die Analysten der Erste Group günstige Bedingungen für weitere Kursgewinne. "Die Wiener Börse steht durch die positive Performance stärker im Rampenlicht und wird Investoren anziehen", sagt Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck. Diese seien auf der Suche nach günstigen "Marktnischen" und sollten ihm zufolge in Wien fündig werden.

Denn die Bewertung der Wiener Börse sei günstig und die Gewinndynamik der Unternehmen intakt. In Zahlen gegossen, liest sich das wie folgt: Für Aktien des Wiener Leitindex ATX müsste derzeit im Schnitt das 10,6-Fache ihrer für 2022 erwarteten Jahresgewinne gezahlt werden, was im historischen Vergleich ein günstiger Wert sei. Höher als üblich sollen dafür die Gewinnausschüttungen ausfallen, die eine Rendite von 3,6 Prozent erzielen sollten. Relativ zu anderen Märkten sei die Wiener Börse damit "sehr attraktiv bewertet".

Auch die Zusammensetzung des Leitindex sollte die Wiener Börse beflügeln. Denn der ATX reagiere stärker als andere Indizes auf Konjunkturbewegungen, er verliert also im Abschwung er stärker als andere Märkte, legt dafür aber bei einem Aufschwung überdurchschnittlich zu. Auch die Konjunkturaussichten passen. Im Durchschnitt rechnen die Erste-Analysten für die Region Zentral- und Osteuropa, wo die ATX-Unternehmen den Fokus ihrer Geschäfte haben, für heuer mit 4,4 Prozent BIP-Zuwachs. "Das ist ein sehr gutes Wachstum im internationalen Vergleich", ergänzt Mostböck.

Aktien trotzen Inflation

Wo soll das hinführen? Der Erste-Chefanalyst sieht für den ATX ein Indexpotenzial von 4500 Punkten bis Jahresende, was einem Kurszuwachs um fast 13 Prozent entspräche. Zum Vergleich: Das bisherige Rekordhoch erzielte der Leitindex im Jahr 2007, also noch vor der Finanzkrise, bei etwa 5000 Punkten. Heuer werde es nicht schnurstracks nach oben gehen, erwartet der Analyst, vielmehr sei mit "volatilen Phasen" zu rechnen, also mit zwischenzeitlichen Kurskorrekturen. Auch die Inflation könnte für Rückschläge sorgen, obwohl die Teuerung dem Aktienmarkt nicht dauerhaft zusetzen sollte, da die Unternehmen höhere Einkaufskosten an Kunden weitergeben könnten. "Aktien bilden aus meiner Sicht einen Inflationsschutz", sagt Mostböck.

Zudem sieht Erste-Analyst Christoph Schultes die Wiener Börse auch durch den Trend zu Value-Aktien und zyklischen, also konjunkturabhängigen, Werten bevorzugt, die im ATX reichlich vertreten seien. Im europäischen Vergleich seien Branchen wie Banken, Öl und Gas und Automobil derzeit sehr günstig bewertet. Das sollte auch dem ATX weiteren Aufwind verleihen, in dem diese Sektoren eine verhältnismäßig hohe Gewichtung hätten, erklärt Schultes. (aha, 14.1.2022)