Immer dringlicher, von immer mehr Seiten, wird derzeit öffentlich die Frage gestellt, ob die Regierung die Einführung der (temporären) Corona-Impfpflicht nicht verschieben sollte. Nicht wegen der hohen Zahl der negativen Stellungnahmen, sondern wegen der wenigen, aber gewichtigen Bedenken von Behörden und Institutionen, die mit der Um- und Durchsetzung dieses heiklen Gesetzes betraut sind.

Diese Bedenken sind durchaus gewichtig. Dennoch wäre eine Verschiebung politisch fatal für die Regierung. Einmal mehr würde das den Eindruck verstärken, dass die Regierung bei der Impfpflicht nicht, von Europa ehrfürchtig bestaunt, voranschreitet – sondern eher durch diese Phase der Pandemiebekämpfung stolpert.

Ein kurzer Blick zurück zeigt den bisherigen Zickzackkurs der türkis-grünen Koalition beim Thema Impfen: Unter Altaltkanzler Sebastian Kurz hieß es noch, die Pflicht zum Stich sei ausgeschlossen, und überhaupt sei die Pandemie für die Gesellschaft als Ganzes beendet; unter Altkanzler Alexander Schallenberg und den vereinten Landeshauptleuten war’s dann plötzlich der einzige Ausweg aus der fortgesetzten Misere; der jetzige Kanzler Karl Nehammer versprach dann die Umsetzung dieses Plans – und ventilierte vor kurzem trotzdem, es könne auch, zumindest vorübergehend, eine Art "Light"-Version der Impfpflicht in Kraft treten. Das alles wirkt nicht sonderlich souverän und wird wohl kaum dazu beitragen, dass jetzt noch skeptische Menschen von der unabdingbaren Notwendigkeit der Corona-Schutzimpfung überzeugt werden können.

Eine Verschiebung der Impfpflicht wäre politisch fatal für die Regierung.
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Keine Überraschung

Obendrein ist erstaunlich, dass sich das Gesundheitsministerium nicht schon im Vorfeld, als der Gesetzesentwurf geschrieben wurde, mit der Elga GmbH abstimmte. Wie kommt es, dass erst im Begutachtungsverfahren herauskam, dass die Servicegesellschaft die Implementierung der Impfpflicht-Ausnahmen nicht früher schafft? Ähnlich verhält es sich mit dem Aufschrei der Richterinnen und Richter. Angesichts der wöchentlichen Anti-Corona-Demos mit vielen tausenden Teilnehmern, der aggressiven Stimmung dort und in sozialen Netzwerken sowie der großteils organisierten Menge an negativen Stellungnahmen zum Gesetz war jedenfalls klar, dass es in den kommenden Monaten zu einer Flut an Einsprüchen und Beschwerden vor Gericht kommen wird. Die Regierung selbst rechnet in ihrem Gesetzesentwurf mit rund 133.000 zusätzlichen Gerichtsverfahren. Es kann also keine Überraschung sein, dass der Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und -richter prompt 330 zusätzliche Stellen fordert.

Überraschend ist schon eher, dass eine starke Aufstockung des Justizpersonals nicht von vornherein vorgesehen war. Zwar beruhigte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im ORF-Morgenjournal rasch, dass man "den Bedarf decken" werde. Das könnte freilich kurzfristig schwierig werden. Man hat zumindest bisher nicht von hunderten unbeschäftigten Richterinnen und Richtern gehört, die spontan für die Feinheiten der Impfpflicht freigespielt werden können.

Die Regierung muss wohl oder übel, bei aller Kritik von allen Seiten, bei ihrem ursprünglichen Pfad bleiben. Alles andere würde ihre Glaubwürdigkeit massiv unterminieren. Dass sie dabei nicht souveräner und überzeugter wirkt, liegt an einer Reihe von Eigenfehlern, die zuletzt passiert sind. (Petra Stuiber, 14.1.2022)